Das Wandern ist (manchmal) des Müllers Lust

Irgendwann im Frühling beschloss ich, diesen Sommer wieder mal etwas mehr Bewegung in mein Leben zu bringen.

Ich war in meiner Jugend zwar auch eine Leseratte, aber immerhin spielte ich bis zum ersten Jahr B-Junioren auch (ziemlich erfolglos) Fussball im FC Turgi. Aber dann kam eine erst steile, dann langsamere Sinkkurve in mein Bewegungsmuster. Im selben Verhältnis stieg mein Körpergewicht.

Es gab zwar das knappe Jahrzehnt, bis vor wenigen Jahren, in welchem ich regelmässig mit meiner Schwester und ihrer Familie im Herbst eine Woche wandern ging, aber das endete auch vor etwa drei Jahren. Meist war ich mittel bis schlecht vorbereitet.

Dieses Mal wollte ich es etwas besser machen. Spät, erst im April meldete ich mich mal wieder bei einem Fitness-Studio an und begann zweimal wöchentlich zu trainieren.

Am 1. Juli hatte ich die verwegene Idee, in Kindheitserinnerungen zu schwelgen, wo wir jeweils zwei bis drei Wochen auf der Tannalp in den Ferien waren. Also fuhr ich mit dem ersten Zug via Luzern nach Sarnen, stieg dort ins Postauto und nahm die erste Gondel von der Stöckalp zur Melchsee-Frutt. Dort startete ich meine Wanderung entlang der Strasse bis zur Tannalp. 

Panoramabild über dem Tannensee mit Graustock, Titlis, Reissend Nollen, Wendenstöcke, Mähren und so weiter

Auf der Tannalp, bei der alten Käserei, wo wir als Kinder jeweils logierten, machte ich kurz Rast, trank ein wenig und ass ein paar Früchte. Nach rund zwanzig Minuten startete ich auf die Bergstrecke via Schaftal zum Jochpass.

Für die Strecke, welche gemäss Karte rund 6 Kilometer mit rund 450 Höhenmetern umfasst, wird rund 2:15 Stunden angegeben. Ich benötigte jedoch etwas mehr als vier Stunden. Insbesondere die Steigung beim Schaftal brachte mich fast um. Ich hatte wohl zu wenig getrunken, zudem machte mir die Hitze und die dünne Höhenluft zu schaffen.

Panorama über dem Engstlensee, in der Bildmitte die Wendestöcke

Ich war froh, dass meine Muskeln mitmachten und ich mit den Wanderstöcken auch immer genügend Halt hatte. So erreichte ich schlussendlich den Jochpass und liess mich mit dem Sessellift nach unten tragen.

Nachdem ich fleissig weiter trainierte, wollte ich es kurzfristig am 5. August nochmals wissen. Ich fuhr nach Pontresina und plante am Montag dann eine Wanderung unternehmen. Jedoch schlief ich ziemlich schlecht (Höhenluft?) und wachte mit Halsschmerzen (Schnarchen?) auf. Also gab es nur eine kurze Höhenwanderung von Muottas Muragl zur Alp Languard mit fast keinem Höhenunterschied (rund 190 Meter).

Panoramabild aufgenommen auf der Bergstation der Standseilbahn Muottas Muragl

Die Erkältung mit mühsamem Husten hatte mich dann doch ziemlich im Griff, toll bei der aktuellen Sommerhitze.

Als es langsam besser wurde, raffte ich mich nochmals auf. Ich wollte mich nicht unter Druck setzen und hatte mir mehrere Varianten zurechtgelegt, um je nach persönlichem Befinden die beste Route wählen zu können.

Also stellte ich vorgestern den Wecker auf 4:50 Uhr. Der Rucksack wurde nur mit 3.5 Liter Wasser, der Regenjacke sowie den Stöcken bepackt. Als ich gestern, am Donnerstag, nach kurzer Nacht aufwachte, fühlte ich mich relativ fit. Der Husten war weitgehend abgeklungen und die Nase war einigermassen frei.

Also stieg ich in den ersten Zug nach Luzern und dort dann nach Engelberg. Kurz nach 8 Uhr morgens hatte ich ein Ticket hoch zum Trüebsee gekauft und wartete mit rund 20-30 anderen Leuten darauf, dass die Bahn öffnete. So rund 8:25 Uhr brachte mich eine der ersten Gondeln hoch. Um 8:40 Uhr stand ich schon am Trüebsee und konnte die Spiegelung auf der glatten Oberfläche des Sees bewundern.

Spiegelungen auf dem Trüebsee. Im Hintergrund der Graustock (2'662m)

Nachdem ich das erste Hindernis, welches mir schon die Sonnencreme von den Armen lecken wollte, überwunden hatte, ging es mit dem Aufstieg vom rund 1'780 Metern über Meer gelegenen Trüebsee los.

Rind auf dem Weg versperrt den Durchgang

Ich hatte mir vorgenommen, die Steigung langsam anzugehen, häufiger zu pausieren und vor allem häufiger zu trinken. Die Sonne brannte schon um 9 Uhr kräftig nieder, aber es ging ein nettes Lüftchen. Ganz selten hatte es ein wenig Schatten, wo es sofort recht kühl war.

Knapp eine Dreiviertelstunde später, hatte ich rund 200 Höhenmeter überwunden, den ersten Liter Wasser wieder eingefüllt und genoss die Rundsicht. 

Blick über den Trüebsee

Ich nahm weiter Schritt um Schritt und liess unterwegs einige Leute passieren. Jüngere, aber auch ältere ;-)

Nach insgesamt rund 2 Stunden Aufstieg erreichte ich den auf 2'207 Metern über Meer gelegenen Jochpass. Ich setzte mich auf die Terrasse des Restaurant in den Schatten, wo es mir aber schnell zu kühl wurde. Mit dem (langsam wieder trocknenden) Rücken zur Sonne genoss ich einen doppelten Espresso und den von der Serviererin empfohlenen, reichhaltigen Aprikosenkuchen «mit Nydlä».

Aprikosenkuchen mit Schlagrahm und Früchten

Nach rund 40 Minuten machte ich mich startklar für die Bergstrecke zur Tannalp, sprich ich nahm die Wanderstöcke aus dem Rucksack. Die Strecke steigt anfänglich leicht an, bis man auf 2'323 Metern über Meer den höchsten Punkt erreicht. Auf dem Weg hinauf, musste ich ziemlich vielen Rindern ausweichen, welche den Weg blockierten. Und natürlich wollte mich jedes ablecken. Da ich nicht weiss, wie gesund meine Sonnencrème ist, liess ich die Viecher nicht an mich heran ;-)

Blick über den Engstlensee

Im Vergleich zum 1. Juli sieht man deutlich, dass der heisse Sommer die Schneedecke schmelzen lässt. Die Bergkette im Hintergrund gehört zu den Berner Alpen (Wellhorn/Wetterhorn, sicher bin ich aber nicht).

Danach geht es das Schaftal hinunter auf 2'100m, steigt nochmals leicht an und führt leicht sinkend bis auf die Tannalp auf 1'974 Meter. Die letzten dreissig Minuten der rund dreistündigen Etappe spürte ich zunehmend Kohldampf. Ich hatte ja nur ein wenig (unberührt bleibende) Schokolade dabei.

Zum Glück hatte das Bergrestaurant Tannalp offen und es gab nach 14 Uhr noch warme Küche. Die Gemüsecremesuppe leerte ich fast in einem Schluck!

Mittagessen, Gemüsecremesuppe, Schüblig mit Pommes

Danach machte ich mich hinter die Wurst, stellte aber bei den Pommes fest, dass die Augen mehr als der Magen wollten und liess mehr als die Hälfte zurück.

Solcherart gestärkt, nahm ich den Rest der Etappe unter die Füsse und gab ziemlich Gas. Beim unteren Ende des Tannensees blickte ich nochmals zurück auf die seit Kindheit vertraute Silhoutte von Graustock, Titlis, Reissend Nollen, Wendenstöcke und Mähren.

Tannensee mit Graustock, Titlis und Wendenstöcken

Danach wählte ich die Wanderstrecke unter dem Bonistock, anstelle der Strasse entlang und brauchte für die 4.3 Kilometer nur rund 50 Minuten.

So reichte es gut, um mit der Gondelbahn um 16:10 Uhr bereits wieder in der Stöckalp zu sein. Dort hatte ich Glück und erwischte noch einen freien Platz im Extrabus mit Direktfahrt nach Sarnen.

Kartenausschnitt SchweizMobil mit der Etappe Trüebsee-Jochpass-Tannalp-Melchsee-Frutt

Danach kam die Rückfahrt ins warme Unterland. Im Zug hätte ich gerne meine Wanderschuhe ausgezogen, aber mein Anstand verbot mir dies. Aber ich freute mich tierisch auf die kalte Dusche zu Hause.

Fazit: diesmal hat es gut geklappt. Keine Blasen, nur ein etwas sonnenverbrannter Bereich um den Ellenbogen und kurz nach 21 Uhr machte ich ungewöhnlich früh Lichterlöschen!

P.S.: hier noch ein Rückblick auf die Sommerferien 1975. Aufgenommen im Juli/August auf einer Wanderung unterhalb der Tannalp. Die Engstlenalp liegt in der Bildmitte. Da hatte es noch ganz schön Schnee auf den Berggipfeln.

Aufnahme von Graustock und Titlis aus dem Jahr 1975

Urs | Freitag 17 August 2018 - 2:14 pm | | default | Zwei Kommentare
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Was beim Reisen schief gehen kann.

Inspiriert von dieser Aufzählung von Anita und wie Ihr in meinem Tweet versrprochen… Meine Beichte zu beinahe «abverheiten» Reisen.

Ob das ev. mit unserem ersten Ausland-Familienurlaub begann? Unsere Mami hatte wie immer eine gehörige Portion Eigensinn und deshalb stand sie an der anderen Schlange bei der Rück-Einreise in Flughafen Zürich an. Und ward für längere Zeit nicht mehr gesehen. Nach fast zwanzig Minuten kam sie bei uns an und erzählte empört, der Zöllner hätte Ihren Pass für gefälscht gehalten. Sie war ausgerechnet an einen Mann aus dem Aargauer Dorf geraten, in welchem wir das Bürgerrecht haben. Dass wir dort seit damals mehr als 100 Jahren nicht mehr bekannt waren (der Ur-Urrgrossvater war ausgezogen) und aus einem heute fast nicht mehr besiedelten Dorfteil stammen, konnte unsere Mutter als Angeheiratete (und aus DE stammende) natürlich nicht erklären.

Aber zurück zu mir…

Ein Jet am Gate in London, bereit zum einsteigen

Zu früh?

Ich meine, wir kommen alle mal zu spät, aber seid Ihr noch nie zu früh geflogen?

Da hatten Nunzio und ich also zehn Tage Teneriffa geplant. In irgend einem Hotelplan-Reisebüro in Baden oder Wettingen reservierten wir Hotel und Flug und waren uns einig, dass wir uns dann am Nachmittag des Abflugtages im Flughafen treffen würden. Ich hatte noch einen Frühdienst am Bahnhof Glattbrugg und den ganzen Morgen Billette verkauft. Als wir uns im Flughafen trafen, hiess es Einchecken bei Swissair/-Port. Der Agent war sehr freundlich, tippte aber immer verzweifelter im Compi herum. Als wir fragten, ob es denn ein Problem gäbe, meinte er nur, wir seien nicht auf dem Flug. Er buchte uns auf die Warteliste und sagte, wir sollen mal den Anschlussflug ab Madrid nach Teneriffa bei Iberia rückbestätigen gehen.

Dort herrschte ein ziemliches Durcheinander mit Kindergeschrei und die Agentin warf nur einen kurzen Blick auf unsere Tickets und verwarf dann die Hände. Also zogen wir weiter und zeigten die Tickets unter anderem bei Kuoni Reisen, im Swissair - Luftreisebüro und noch einem weiteren herumstehenden Agenten. Der meinte dann nur, das  seien APEX - Tickets mit Status OK, wir müssten auf den Flug gebucht sein. Mit diesem Tarif werde man üblicherweise nicht überbucht.

Tatsächlich liess man uns beim Abarbeiten der Warteliste auf den Flug und wir waren dann in Madrid beim neu Einchecken für den Anschlussflug um 22 Uhr entspannt, als der Agent dort wieder abwinken wollte. Unseren Hinweis, dass man das mit uns schon in Zürich versuchte hätte und dass wir nun auf den Flieger wollten, konterte er lakonisch mit dem Hinweis: «You got tickets for Saturday, today is Friday. So you won't take this flight!».

Da waren wir dann tatsächlich erstmals baff. So viele Leute hatten die Tickets angeschaut, ich hatte selbst den ganzen Morgen das Datum auf unzählige Billette geschrieben und erst der Agent in Madrid erkannte, dass wir tatsächlich einen Tag zu früh gestartet waren?! Ich bin noch heute sicher, dass er es nur gemerkt hat, weil der Flug am Samstag eine andere Flugnummer hatte.

Nach einem vergeblichen Versuch auf der Warteliste nachts um 2 Uhr reichte es dann nach wenig Schlaf auf harten Flughafenbänken für einen Abflug um 8 Uhr morgens. Selbstverständlich kam unser Gepäck erst mit dem regulären Flug an und wurde uns am Sonntag-Morgen vor die Hoteltüre gestellt.

Mathematik für Gebrochene

Tönt schlimmer, war aber nicht so lustig. Kollege Mario hatte damals seine Phase, wo er alle mathematischen Operationen in Bruchzahlen im Kopf ausbaldowerte. Wir, das heisst er,  Schneidi, Martin und ich besuchten Heinz an einem verlängerten Wochenende in seinem Sprachaufenthalt in London. Der Hinflug am Freitag war problemlos und am Sonntag-Abend sollte es um 19:15 ab London Heathrow zurück nach Zürich gehen.

Irgendwann am späten Sonntag-Nachmittag waren wir mit Heinz noch irgendwo in der Stadtmitte. Mario hatte irgendwelche Zahlen für Abflug, Einchecken und Fahrt nach Heathrow im Kopf in Brüchen zusammengerechnet und wir waren noch guten Mutes, als wir Heinz Adieu sagten und in die Tube (U-Bahn) hinunterstiegen.

Ich weiss nicht, ob es Martin oder Schneidi waren, welche die gekürzten Brüche von Mario in normale Zahlen überführten, aber der Schreck sass tief. Es war 17:40 Uhr, die Fahrt nach Heathrow dauerte mit der Tube rund 50-60 Minuten. Eine Stunde vorher sollte man ja dort sein und einchecken. Also fehlte uns rund eine Stunde. :-(

Bei der ersten Bahn mussten wir wegen einer Umleitung sogar nochmals umsteigen. Kurz vor 19 Uhr keuchten wir zu den Swissair-Schaltern und erkundigten uns. Die Station war am Schliessen, die Compis bereits unten und man stellte uns manuelle Bordkarten aus. Zum Glück sind die Briten so toll und stehen in wunderschönen Queues an. So konnten wir uns mit vielen «Sorry» einfach vorbeiquetschen und durch Pass- und Sicherheitskontrolle stressen. Bei der Letzteren wurden Mario und ich noch aufgehalten, da er einen kleinen Reiserucksack mit eingebauten Lautsprechern dabei hatte (warum auch immer man so etwas kaufen soll!).

Als wir endlich völlig ausgepumpt um etwa 19:20 Uhr am Gate die Gangway hinunter rannten, stand der Purser im Eingang des Flugzeugs mit der Türe in der Hand. Aus Spass meinte er noch: «Zu spät, wir fliegen gleich!» und simulierte einen Schliessvorgang.

Ihr könnt Euch die Blicke der auf uns wartenden Mitreisenden vorstellen, als wir hineinstolperten .Sie trieben mir die Schamesröte ins Gesicht. Dass ich dann die damals noch durchaus akzeptable Bordverpflegung nicht wirklich geniessen konnte, war auch eine Tatsache.

Etwas zu weit südlich?

Eher Fremdverschulden brachte Heinz und mich mal etwas zu weit nach Süden. Wir waren auf unserer ersten grossen Reise nach Südamerika. Ein Kurzaufenthalt in Toronto leitete die Weiterreise ein. Der Flug nach Lima, Peru war über Nacht. Wie üblich schlief Heinz umgehend und selig ein, während ich mich wälzte und kein Auge zutun konnte.

So bemerkte er auch erst nichts, als der Flieger gegen 7 Uhr morgens zu kreisen begann. Ich spürte die Bewegung und guckte mich ungeduldig um. War ich doch erpicht, endlich aus dieser Blechbüchse zu kommen.

Aber es kam anders. Die Stimme des Kapitäns erklang und erklärte, dass wir wegen Nebel und fehlendem Instrumentenlandesystem nun leider zur Enddestination des Fluges weiterfliegen würden. 

Und so landete unser Jet gegen Mittag in Santiago di Chile. Dort nahm man uns die Pässe ab und gab dafür temporäre Aufenthaltskarten aus. Ein Bus brachte uns in die Innenstadt zu einem Fünfstern-Hotel der Steigenberger Gruppe, wo wir ein Doppelzimmer zugewiesen erhielten. Ein tolles Steak mit einem samtigen Rotwein im Dachrestaurant leitete die Erholungsphase ein ;-)

Interessant war damals (1989), dass in Santiago di Chile teilweise noch Lastwagen mit Holzvergaser herumfuhren. Zudem kamen wir im April/Mai aus dem Frühling der Nordhalbkugel in den Herbst zurück mit fallenden Blättern.

Gegen Abend brachte man uns dann zum Flughafen zurück und noch vor Mitternacht waren wir dann endlich doch in Lima.

This isn't you, isn't it?

Immer wenn denkt, es kann nicht schlimmer kommen…

Heinz und ich wollten an einem Samstag in die USA fliegen. Wir diskutierten kurz und beschlossen, einen Zug früher zu nehmen, um noch Zeit für ein kleines Frühstück zu haben.

Dann standen wir also bereits kurz vor acht Uhr Morgens im Terminal beim American Airlines-Schalter, wo man damals erst von einer Person der Fluggesellschaft im Auftrag der Einreisebeamten der USA kontrolliert wurde, bevor man effektiv eincheckte. Diese Personen prüften die Papiere (Pass, Visa etc.) und stellten auch Sicherheitsfragen. Meist hatte es mehrere, parallele Stationen. 

Wir durften vorsprechen und gaben unsere roten Pässe der Dame in die Hand. Sie prüfte die Flugtickets und studierte die Pässe. Sie sah mehrfach in die Papiere und wieder zu uns. Schliesslich blickte sie mit einem Pass in der Hand Heinz an und meinte: «This isn't you? Isn't it?»!

Heinz trat erschrocken vor und guckte in den Pass. Dort erblickte er jedoch nicht sein Bild, sondern Kollege Mario schaute ihn an. Und auch beim Namen stand ganz klar,  Mario H. und nicht Heinz L.

Uns sackte das Herz in die Hose und unter dem gestrengen Blick der Angestellten und den neugierigen Augen rundherumstehender Passagiere huschten wir zu einem Courtesy-Telefon und wählten die Nummer von Mario.

Es war eine Ausnahmesituation, üblicherweise war Mario ein Frühaufsteher und meist unterwegs. Aber diesmal hatten wir Glück, er war zu Hause. «Wo hast Du Deinen Pass?», «Geh ihn holen!», «Welcher Name steht da drin? Doch, mach ihn auf, was steht drin?».

Noch mehr neugierige Blicke streiften uns. Mein Magen war schon ganz verknotet. «Hast Du den Wagen draussen?», «Ok, Glück gehabt, er ist nicht ausgeliehen, wie häufig!». «Wie lange hast Du bis hier?», «Alles klar, Du machst Dich auf den Weg!».

Etwa fünfzig Minuten später kam ein noch leicht zerzauster Mario um die Ecke und wedelte mit dem Pass. Er und Heinz tauschten die Papiere und wir konnten erleichtert doch noch einchecken.

Es reichte dann trotzdem noch für einen gemeinsamen Kaffee und wir lachten noch Jahre später darüber. Bei jedem Flug fragen wir uns: «Hast Du den Pass dabei? Und steht da auch Dein Name drin?» ;-)

Die Kollegen waren wenige Wochen zuvor mit Adrian im Wagen nach Italien gefahren. An der Grenze hatte Adrian die Pässe aller Kollegen nach draussen gereicht (das war noch vor Schengen) und bei der Rückgabe seinen eigenen Pass genommen und den anderen je einen Pass gereicht, ohne die Namen zu kontrollieren. 

In diesem Sinne, schöne Ferien. Kontrolliert immer die Reisezeiten und -Daten und prüft Eure Unterlagen. :-)

Urs | Sonntag 15 Juli 2018 - 9:21 pm | | default | Ein Kommentar

Lieber Reto (3)

Aus der Reihe der «nie gesendeten E-Mails». In loser Folge (vielleicht) veröffentlichte Erinnerungen und Gedanken.

Nun, Reto, bin ich heute vom Einkauf im lokalen Coop auf dem Heimweg mal wieder in so eine schöne Nachmittagshitze gelaufen, wie damals in Sizilien.

Seit dem letzten Beitrag sind ja beinahe zwei Jahre vergangen. Wieder ein wenig älter, wieder ein wenig weiser?

Ich nehme den Faden wieder beim ersten Beitrag auf. Damals, als wir von unserer Irrfahrt wieder zurück nach Aragona kamen. Der Anschlusszug nach unserem eigentlichen Reiseziel, Gela, fuhr erst gegen 16 Uhr. Klar, es war ja auch Mittagspause. Also sassen wir fast zwei Stunden in der brütenden Mittagshitze fest. Lust, die Stadt zu erkunden, kam bei diesen Temperaturen echt nicht auf. 

Im Bahnhofbuffet gab es zwar guten Caffè, aber die Hitze trieb uns nach draussen, wo wir im Schatten ein wenig den gelgentlichen Rangierfahrten nachschauten, wo der capostazione mit der roten Fahne herumfuchtelte, was bei uns sofortigen Halt bedeutet hätte.

Ob Du Dich noch an den alten Mann erinnerst, der sich dann zu uns auf die Bank setzte? Er hatte nicht mehr viele Zähne, was seinen sizilianischen Dialekt auch nicht verständlicher machte. Ich glaube, Du hast kein Wort verstanden, Dein italienisch war ja eher schlecht. Er erzählte uns von der Zeit um 1940-45, wo er als Partisan mit den Allierten gegen die Faschisten gekämpft hatte. Ich konnte leidlich folgen, ein Vorteil, wenn der beste Schulkamerad und Nachbar sizilianischer Herkunft ist.

Dann war es endlich soweit und wir fuhren weiter, diesmal im richtigen Zug, nach Gela. Diese Stadt war für uns eine ziemliche Enttäuschung. Nicht nur war das Hotel eher zweifelhaft, auch die Raffinierie am Hafen und die Innenstadt war im Vergleich zu Agrigento ein schwerer Rückschritt.

So fuhren wir nach einem Tag mit dem Zug weiter, das Ziel sollte diesmal Siracusa sein. Du hattest aus einem Reiseführer oder von einer Empfehlung her vorgeschlagen, dass wir dort dann nach «Fontane Bianche» fahren sollten, da es dort einen schönen Badestrand gäbe. Tatsächlich fanden wir irgendwo die Bushaltestelle und nach kurzer Wartezeit fuhr ein Bus vor. Wir bezahlten keine tausend Lire (weniger als 1.20 Fr) und dachten deshalb, dass es eine kurze Fahrt würde.

Aber wie wir uns täuschten, es waren rund 20 Kilometer und der Bus fuhr natürlich nicht auf dem schnellsten Weg. Es ging durch Orangenhaine und übers Land und dann standen wir da und überlegten uns, wo wir hier übernachten wollten. Im ersten Hotel, in welches wir gelangten, schaute man uns skeptisch an. Du hattest ja den «Tramper-Rucksack» mit Zelt dabei. Schnippisch teilte man uns mit, man sei «completo». Ich wollte nachfassen, aber Du meintest: «Lass uns zelten gehen».

Ich hatte ja aus früheren Jahren eher gemischte Gefühle, mir kamen da schlaflose, kalte Nächte in nassen Schlafsäcken in den Sinn. Aber der Campingplatz war nicht nur günstig, sondern auch sehr gepflegt. Ich habe versucht, den Ort auf Google zu finden. Ich glaube, es war hier, wo jetzt nur noch ein Parkplatz ist.

Ausschnitt vom Lido di Fontane Bianche aus Google Maps

Wir hatten unser Zelt in Nullkommanix aufgestellt, es war genügend Platz vorhanden. Die Duschen waren sauber und das Warmwasser damals schon solarthermisch aufgezeizt. Am ersten Abend, als Du Dich etwas heftig hinlegtest, platze zwar das aufblasbare Kissen. Aber sonst schliefen wir jeweils selig, bis uns die Morgensonne in der Nase kitzelte.

Ich erinnere mich noch gut an die Situation, als wir das erste mal gemeinsam zum Strand gingen und uns in die Sonne legten. Da war dieser «typische» Macho, welcher sich mit seiner Freundin neben uns sonntes. Er bemerkte Deinen goldenen Ohrring und machte sich über uns vermeintliche Schwule lustig. Er schwang seinen Hintern und sagte: «Vado prendere una doccia! Shampoo, Shampoo!» und feixte uns an. Wir verstanden die Welt nicht, denn damals (1982/83) trugen «normale» Männer selten, aber wenn schon – so wie Du – den Ohrring links. Wir liessen uns nicht beirren und genossen die Abkühlung im Meer.

Nach Einbruch der Dunkelheit gingen wir uns ein günstiges Restaurant suchen. Ich habe keine Ahnung mehr, wo es genau lag oder wie es hiess. Aber ich weiss noch, dass es nach allen Seiten offen war und in der Mitte auf einem kleinen Podest der «Chef / Kassierer» sass. Wir bekamen einen Tisch zugewiesen und studierten die Karte. Du wolltest unbedingt Muscheln essen. Du warst mit Deiner Mutter und Deinen Geschwistern schon mal in Italien in den Ferien gewesen und glaubtest, die Bezeichnung auf italienisch zu kennen. Aber so etwas fanden wir nicht auf der Karte.

Als der Kellner dann kam, bestellten wir uns einen Insalata mista und Du wolltest «Muscoli». Was der Kellner natürlich nicht verstand. Wir verhandelten ein wenig und kamen via Frutti di mare dann auf «Cozze». Wir fanden das töne zwar nicht wohlschmeckend, aber wir wurden eines besseren belehrt. Ich kannte vorher nur «Les Moules Continental» aus dem Restaurant Continental in Quiberon. Dort wurden sie in einer cremigen Sauce serviert. Hier in Sicilia gab es sie aber einfach mit einem Sud aus Weisswein, Zwiebeln und Gewürzen. Sie schmeckten göttlich und der Wein dazu war auch sensationell. 

Irgendwann nach Caffè und ev. auch Dolce bezahlten wir die knapp zwanzigtausend Liren und verliessen das Restaurant. Kaum waren wir draussen, kam uns aber in den Sinn, dass wir ja vergessen hatten, die beiden gemischten Salate zu bezahlen. Also – typisch Schweizer – gingen wir zurück zum «Chef / Kassierer» und ich meinte: «Abbiamo dimenticato di pagare le insalate miste!». Die Reaktion war bemerkenswert. Ok, wir waren ja auch leicht beduselt. «Angelo! Angelooo!», brüllte der Mann durch das Restaurant. Wir dachten, jetzt gibt es irgendwas, Haue oder so. Aber dann erklärte der Kassierer dem Angelo, dass wir zwei feinen Herren vergessen hätten, den Salat zu bezahlen und nun extra zurückgekommen seien, um zu bezahlen. Worauf uns Angelo, der Kassierer und noch ein weiterer Kellner ausgiebig die Hand schüttelten und uns lobten. Offenbar verhielten sich nicht alle Gäste gleich. ;-)

Miesmuscheln, Quelle Pixabay / eujava

Ich glaube, wir blieben etwas zwei Nächte in Fontante Bianche, bevor wir uns wieder vom Acker machten und mit dem Zug weiter nach Taormina fuhren. Aber dazu ein anderes mal.

Heb's guet, Dein Freund und Stifti-Kollege, Urs

Urs | Samstag 14 Juli 2018 - 4:30 pm | | default | Kein Kommentar

Abstimmungsfrust

Ja, ich bin gefrustet… die Abstimmung zum Geldspielgesetz wurde von den Befürwortern auf eine Art und Weise geführt, die für mich an die Grenzen ging.

Insbesondere der Partei, welche das «C» im Namen trägt, ware keine Lüge zu infam, um dem Gesetz zum Durchbruch zu verhelfen.

Ich bin nun nicht gerade der Mensch, welcher mehrheitlich für liberale Ideen steht, aber hier war der «Heimatschutz» einfach nicht angebracht. Insbesondere glaube ich nicht, dass die Beton-Casinos die geforderte Prävention online wirklich leisten können. Erst recht wohl nicht die im Hintergrund leise mitsurfenden (kantonalen) Lotterien.

Was mich aber besonders frustet, ist die tiefe Stimmbeteiligung. Gemäss diesem Artikel im Bund, lag sie diesmal im Kanton Bern bei nicht mal 30%.

So, Ihr lieben LinksGrünen Politiker in der Stadt und im Kanton Bern. Ihr wollt doch die hier lebenden Ausländer an den Wahlen beteiligen, wie wäre es mit folgendem Anliegen:

Anpassung des Gesetz über die politischen Rechte (PRG)

  • Artikel 3, Grundsätze
    • 4., wer sein Wahl- und Stimmrecht während 12 oder mehr Monaten ununterbrochen nicht ausübt, wird durch die Wahlbehörde gemahnt.
    • 5., wer trotz Mahnung innert weiterer 6 Monate weiterhin nicht teilnimmt, verliert sein Wahl- und Stimmrecht.
    • 6., die frei werdenden Wahl- und Stimmrechte werden mittels einer Lotterie an hier während mindestens fünf Jahren niedergelassene, einwandfrei beleumundete Ausländer und Ausländerinnen verteilt.
    • 7., will eine Schweizer Bürgerin, ein Schweizer Bürger sein Stimmrecht wieder ausüben, so kann er bei der nächsten Lotterie eines der zur Verfügung stehenden Stimmrechte beanspruchen.

Das wäre doch mal eine Steilvorlage, nicht?

Urs | Sonntag 10 Juni 2018 - 2:36 pm | | default | Zwei Kommentare

Ton-Ausfall, bye bye Zeppelin

Im Dezember 2011 hatte ich mir für mein Schlafzimmer einen Zeppelin Air von Bowers & Wikins gekauft. Der Preis war knapp 700 Franken. Er diente mir all die Jahre mehrere Stunden pro Tag als Schallquelle für Internet Radio, Musikgenuss und gelegentlich als Unterstützung für den TV-Konsum am iPad (via Zattoo).

Dass er in letzter Zeit häufiger mal die Verbindung verlor oder sich beim Einschalten nicht via DHCP anmelden konnte, führte ich eher auf den alten, schwachen Access-Point (Apple Airport Extreme) zurück. Und so kaufte ich mir letzthin einen neuen AP von Ubiquiti. Den Setup des Zeppelin schaffte ich mit etwas Anlauf noch gut, aber irgendwie zickte er immer mehr. Das Unifi-Tool von Ubiquiti zeigte mir, dass der Zeppelin den AP voll in Beschlag nahm und doch kam kein Ton mehr aus ihm.

Und gestern Abend dann erlosch das Kontrolllämpchen des Zeppelin und ging nicht mehr an. Offenbar hat er das Ende seine Lifecycles erreicht. Was nun?

Ich bin ja ziemlich apfellastig unterwegs mit MacBook Pro, iPad und iPhone. V.a. möchte ich eben zwischendurch TV gucken und da ist mir einigermassen gute Lippensynchronität wichtig. Es macht mich beinahe wahnsinnig, wenn es da einen Verzug gibt.

Im Wohnzimmer habe ich den Samsung TV mit einem Apple TV und einer Sonos Playbase ergänzt. Was stünde da näher, als einen Sonos Player auch ins Schlafzimmer zu stellen. Aber Sonos unterstützt noch gar kein Airplay. Es soll im Laufe des Jahres kommen. Wann auch immer das ist und welche Geräte dann auch wirklich unterstützt werden.

Meine Umfrage auf Twitter, ob ich mir eher Sonos oder wieder einen Bowers & Wilkins kaufen soll, kam zwar eindeutig, aber ich bekam auch noch ein paar Tweets mit Empfehlungen.

Unter anderem kamen Bose, aber auch Apples Homepod zur Sprache.

Ich hielt den blechigen Sound des iPad dann heute Nachmittag nicht mehr aus und wollte in der Stadt gucken, ob ich da eventuell (auch nur temporär) etwas kaufen könnte.

Mein Erfahrungsbericht

Fust, Laupenstrasse

Wähle ich noch gern, da die Filiale für meine Bedürfnisse meist ein recht grosses Sortiment an Elektronik aufweist. Ich marschierte schnurstracks in das UG, um mir dort dann anzuhören, dass die Lautsprecher im 1. OG seien. Jänu, Treppensteigen tut ja der Fitness gut.

Oben angekommen, war es erst mal etwas laut. Ich fand dann die verschiedenen Lautsprechersysteme und wusste  erst nicht, wie ich den Booster neben dem Sonos Play:3 abstellen konnte. Ich wollte ja hören, wie er ohne Unterstützung tut. Irgendwann verirrte sich der Verkäufer, der sonst keine Kunden hatte, zu mir und zeigte mir die Einstellung. Er eilte dann sofort wieder von dannen, offenbar hatte er andere Pläne.

Ich probierte anschliessend die verschiedenen Geräte ein wenig durch. Der Sonos kommt leider (ohne Airplay/2 und Bluetooth) noch nicht in Frage, wenn auch mit gutem Sound. Die mir von Korhan empfohlenen Bose (Soundtouch 10 bzw. 20) tönten zwar auch ganz gut, verloren aber jeweils nach ein paar Minuten die Bluetooth-Verbindung zum iPhone. Ich musste jedes mal erst das Pairing entfernen und neu einstellen. Das mag am «Noise» vor Ort liegen, aber ich möchte ja Musik hören und mich nicht dauernd wegen so etwas ärgern. Die daneben stehenden Harman/Kardon-Geräte sahen zwar noch formschön aus, liessen sich aber überhaupt nicht zur Zusammenarbeit mit meinem iPhone überreden, ev. waren sie nicht richtig eingeschaltet oder man brauchte diesen kleinen Controller, der nebenbei lag und auch keinen Wank tat.

Etwas verärgert und immer noch ratlos verliess ich den Laden wieder. Der Verkäufer sah kurz aus seinem Gespräch mit einem Kollegen auf und sagte kurz: «Tschüss». Verkaufen geht anders, mein Lieber.

Interdiscount, Bubenbergplatz

Zur Ehrenrettung, er lag einfach auf dem Rückweg vom Fust. Eine Verkäuferin begrüsste mich freundlich beim Hineintreten. Ich machte einen Durchgang durch den Laden (max 5 Minuten). Die zweite Verkäuferin war in einem ausführlichen Gespräch mit einer privaten Kollegin vertieft, wie ich Satzfetzen nach annahm.

Das Angebot an Lautsprechern war eher klein und die erste Verkäuferin hatte in der Zwischenzeit einen anderen Kunden im Gespräch. Vorsicht, hat noch einen fiesen (aber gekennzeichneten) Absatz im Laden. Also war ich nach kurzer Zeit wieder draussen.

Mediamarkt, Markthalle

Hmm… bad feelings… allerdings nicht von der aktuellen Diskussion um die Markthalle, sondern von (viel) früher, wo ich mal einen überteuerten 16"-LCD angedreht bekam.

Ich ging trotzdem hinein, wobei mich die agressiven Werbeplakate schon mal eher abtörnten. Tatsächlich hatte es ein ganzes Regel mit Sonos und Bose, die ich ja kannte. Ich kam dann um die Ecke und sah die im Retro-Look gehaltenen «Marshall» Lautsprecher. Zweimal rauschte einer dieser adretten Bärner Giele mit Wurzeln auf einer Insel fernab mit einem kurzen «Grüessech» an mir vorbei, keiner nahm den Blick auf und versuchte mich zu beraten.

Obwohl mich die Werbung von Marshall eher abschreckt (ich will niemandem auf den Schlips treten, aber tätowierte Hände sind mir ein Gräuel), blieb mein Blick auf einem Marshall Stockwell hängen. Das Gerät wirkt wertig, liess sich aber nicht in Betrieb nehmen. Mein Blick über den Laden traf auf keine Resonanz. Ich checke jeweils auch immer die Preise online, bevor ich mich zu einem Kauf entschliesse. Dabei bin ich durchaus bereit, einen 10%-15% Aufpreis für Beratung und Sofortmitnahme zu entlöhnen. Aber der Stockwell wird online mit 150-180 Franken gelistet, allerdings schwer lieferbar. Bei Mediamarkt war er jedoch mit 220 Franken angeschrieben.

Marshall Stockwell Lautsprecher

Also «Tschüss» und raus. Ein Highlight war der Security-Mitarbeiter, der mir wenigstens freundlich zunickte ;-)

Fazit

So wird das nix mit uns, lieber Einzelhandel!

Ach, ich ging dann in den Loeb Lebensmittel und kaufte mir als Ausgleich ein «Häagen-Dazs Strawberry & Cream». :-)

N.B.: ich kaufe mir wohl einen Apple Homepod. Entweder bringt mir den ein lieber Kollege mit, Apple verkauft sie demnächst in der Schweiz oder ich hole mir in den Ferien später im Jahr einen in den USA. In der Zwischenzeit gucke ich weiter und besuche sicher noch den mir empfohlenen Laden Hifi Glanzmann in Bern

Urs | Samstag 12 Mai 2018 - 6:03 pm | | default | Ein Kommentar

Das CH-Geldspielgesetz

Wie ich im letzten Beitrag geschrieben habe, verfüge ich durchaus über eigene Erfahrung mit dem leidigen Thema Geld-/Glücksspiel.

Nun steht ja am 10. Juni die Abstimmung über das Geldspielgesetz an. Und die Schlacht darüber tobt zwischen Links und Rechts… ach nein, diesmal sind die Allianzen eher quer durch die Parteienlandschaft zu finden.

Rückblick

Die Schweiz als föderaler Staat kannte bis zum Ende des 20. Jahrhundert keine legalen Casinos. Einige Kantone erlaubten den Betrieb von «Glückspielautomaten» mit begrenzten Einsätzen und Gewinnen, Kurorte verfügten über «kleine Casinos» mit reduziertem Angebot (Boule, begrenzte Einsätze und Gewinne). Im Jahr 1993 wurde mittels der Volksabstimmung vom 7. März darüber abgestimmt, ob man das Spielbankenverbot aufheben wolle. Erst fünf Jahre später mit dem Bundesgesetz über Glücksspiele und Spielbanken (Spielbankengesetz, SBG) vom 18. Dezember 1998 wurde es erlaubt, in der Schweiz (mit einer Lizenz) ein Casino zu betreiben.

Das Gesetz definiert nicht nur den Unterschied zwischen Glücks- und Geschicklichkeitsspiel, sondern kennt auch im Artikel 5. ein Verbot der «telekommunikationsgestützen Durchführung von Glückspielen, insbesondere mittels Internet» (schöne Formulierung aus heutiger Sicht).

Bis 1993 war man also der Auffassung, dass es nicht sinnvoll sei, dass Private Geld mit dem Gebaren von Spielfreudigen verdienen sollten. Dies im Lichte von früheren Zeiten und Erfahrungen mit Menschen, welche ihr ganzes Hab und Gut verspielt hatten. Die Diskussion im Vorfeld des SBG gingen dann in Richtung, es sei wohl «besser», die Menschen verspielten ihr Geld in der Schweiz, als im Ausland im grenznahen Casinos. So könne man die Missbräuche besser bekämpfen, dem Staat Geld zuführen und die Prävention verbessern.

Interessante Lektüre ist dazu die Botschaft des Bundesrates und die Diskussion im Stände- und Nationalrat, die hier zu finden ist.

Aus dem Gesetz, Art. 2, Zweck:

1. Dieses Gesetz bezweckt:
a) einen sicheren und transparenten Spielbetrieb zu gewährleisten;
b) die Kriminalität und die Geldwäscherei in oder durch Spielbanken zu verhindern;
c) sozialschädlichen Auswirkungen des Spielbetriebes vorzubeugen.

2. Im Rahmen der in Absatz 1 genannten Zweckbestimmungen soll das Gesetz den Tourismus fördern sowie dem Bund und den Kantonen Einnahmen verschaffen.

Aus besagten Gründen hatte ich damals Nein gestimmt, leider ging die Abstimmung bei einer Stimmbeteiligung von knapp über 50% mit 72% Ja-Stimmen anders aus. 

Zum Glücksspiel allgemein

Wer spielt denn warum um Geld? Nun, es gibt Leute, die spielen nie um Geld. Andere Jassen um Fünzigräppler (oder auch mehr). Das ist dann aber eher ein Geschicklichkeitsspiel, ähnlich wie dies auch bei Pokerrunden taxiert wird. 

Roulette-Kessel im Casino Wiesbaden. Foto Copyright Ralf Roletschek / Wikipedia

Dann gibt es Leute, die ausnahmsweise mal per Zufall in einem Casino landen und sich eine kleine Abwechslung gönnen. Und solche, denen es dann gleich den Ärmel reinnimmt. Wie zum Beispiel Thomas Kaiser, der in der Sendung «Club» des SRF vom 28. Februar 2012 erzählte, wie er 1.5 Millionen Franken verspielte und sich dabei am Geld von Mandanten vergriff. Ich habe die Sendung übrigens damals mitverfolgt.

Ich behaupte, ein signifikanter Teil des Umsatzes von Casinos mit Geldspielautomaten, Roulette und ähnlichen Spielen stammt von Menschen mit einem problematischen Verhalten, das einer Sucht entspricht. Natürlich gibt es da die Leute, die einfach viel zu viel Geld haben und denen es egal ist, ob sie in zehn Minuten mal schnell ein paar tausend Franken verspielen. Und es gibt sicher einen grösseren Teil, die ihre Ausgaben insgesamt im Griff haben.

Schlussendlich ist es aber ähnlich, wie mit Drogen, Alkohol und Tabak. Soll der Staat den Konsum regulieren oder verbieten?

Der liberale Ursli sagt: «Es ist das Geld und das Leben der Menschen. Besteuere die Sucht und stecke das Geld in die Prävention oder Behandlung derjeniger, die es nicht im Griff haben. Lass den anderen ihre freie Entscheidung.»

Der soziale Ursli sagt: «Es ist unlauter, Menschen zu schädigen oder es zu tolerieren, dass sie sich selbst schädigen. Es ist eine Form von Krankheit und Kranke soll man versuchen zu heilen. Insbesondere ist es unlauter, dass Dritte/Private sich an einer solchen Krankheit/Sucht bereichern.»

Zur aktuell anstehenden Abstimmung

Weshalb kommt es zu der anstehenden Abstimmung vom 10. Juni 2018? Das SBG von 1998 sieht ja ein Verbot des Glücksspiels über das Internet vor. Den Casinos erodieren offenbar deswegen die Erträge. Aus dem Geschäftsbericht des Schweizer Casino Verbands vom 5. Mai 2017 entnehme ich, dass die Umsätze seit 2007 um einen Drittel auf 689 Millionen Franken eingebrochen sind. Ob dies wirklich am Online-Glücksspiel liegt, kann jedoch nicht bewiesen werden. Es könnte ja durchaus auch sein, dass die Leute ihre Sucht besser bekämpfen konnten.

Der liberale Ursli sagt: «Das veraltete Gesetz behindert die Marktwirtschaft. Schweizer Casinos haben ungleich lange Spiesse.»

Der soziale Ursli sagt: «Den Dealern laufen die Süchtigen davon.»

Also gingen der Casino Verband hin und schrieb den Politikern ein nettes Gesetz, das diese nur noch abnicken mussten. Die nun fehlenden Millionen (und vielleicht noch ein paar dazu) sollen durch den Fall des Verbots von Online-Glücksspiel wieder hereingeholt werden. Sozusagen zur Sicherung der der AHV und des Steuersäckels. Kann man ja nicht dagegen sein, oder? :-/

Soweit so gut, nur ist das Internet nicht in der Schweiz alleine und dem Casino Verband liegt ja sein eigener Umsatz am Herzen. Also schrieb er im Gesetz fest, dass nur Firmen, die dem alten Gesetz nach ein Casino betreiben dürfen, auch Online-Spiele anbieten dürfen.

Der liberale Ursli sagt: «Es gibt keinen Grund, dieselben Bestimmungen wie bei physischen Spielbanken anzuwenden. Es können adäquate Bestimmungen (Lizenzerwerb, Schutz vor Missbrauch, Kontrolle von starkem Suchtverhalten etc.) durchaus für konkurrierende Betriebe in der Schweiz oder dem Ausland auferlegt werden.»

Der soziale Ursli sagt: «Den Dealern laufen die Süchtigen immer noch davon.»

Zur Umsetzung (Netzsperre)

Zur Sicherstellung, dass nur legale (Schweizer) Casinos Glücksspiele anbieten können (sollen), hat man sich auf die sogenannte Netzsperre geeinigt. Ich möchte mich hier nicht lange über technische Details aufhalten, da findet man sicher genügend Beispiele.

Mittels Umleitungen via manipulierte DNS-Einträge werden die illegalen Angebote auf eine Info-Seite umgeleitet. Diese Art von Sperre wird heute schon verwendet, v.a. um den Zugriff auf Seiten mit Kinderpornographie zu erschweren.

Warum erschweren? Für technisch weniger Interessierte. Das DNS ist sozusagen das Telefonbuch des Internets. Die Sperren sperren aber nicht wirklich die Telefonnummer (IP-Adresse), sondern tilgen sozusagen nur den Eintrag im Telefonbuch. Man kann also immer noch anrufen, wenn man die Nummer kennt.

Warum sind denn DNS-Sperren nicht gut?

Gründe:

  1. Wenn keine speziellen Systeme (Firewalls) im Netzwerk dies verhindern, kann man einen beliebigen DNS bei sich im Computer, Smartphone, Tablet etc. eintragen. Die Analogie: man kann einfach ein anderes Telefonbuch nehmen, in welchem die inkriminierten Einträge noch zu finden sind.
    Solche öffentlichen DNS findet man zum Beispiel bei Google, Cloudflare oder weiteren. *)
  2. Die zu sperrenden Domains müssen von einer «Zensurbehörde» (wohl die Casinos selbst) erkannt werden und die Sperrlisten müssen dann bereitgestellt werden. Dies wird wohl vermutlich wie bei Kinderpornographie durch FedPol/Kobik erfolgen. Danach müssen die öffentlichen Provider diese Listen in ihren DNS nachpflegen. Dies verursacht Aufwand und kann zu Fehlern führen.
  3. Das System funktioniert auf dem «Namen» (technisch FQDN). Das kann dazu führen, dass ein illegales Online-Casino auf der Adresse https://irgendein.name.com/hiergewinnen erkannt und die Adresse https://irgendein.name.com gesperrt wird. Wenn dort unter anderen Adressen (zB http://irgendein.name.com/gesundheit) auch legale Inhalte liegen, sind diese auch nicht mehr zugänglich. Collateral Damage.
  4. Sobald diese Art der Sperrlistenerstellung automatisiert, standardisiert und als «üblich» taxiert wird, werden mit grosser Sicherheit weitere Begehrlichkeiten kommen. Antifa- oder Nazi-Seiten, Extremismus, etc.
    Da die Sperre umgangen werden kann, werden über kurz oder lang sicher noch tiefere Eingriffe diskutiert. Und dann sind wir wieder soweit, wie vor 1998. Man kann immer noch ins Ausland ausweichen, um dort seiner Sucht zu frönen.

Mit DNS-Sperren wird man also nur den «Gelegenheitskonsumenten» abhalten. Leute, welche aus welchen Gründen auch immer Zugang zu solchen Seiten wollen, werden ihn sich holen.

Das reicht der Casino-Lobby wohl auch, die Gelegenheitskonsumenten sind ja auch ein lukratives Ziel. Es geht ja in erster Linie um deren Umsatz und Ertrag, nicht um das Suchtverhalten Was nun, Fazit?

Zurück mit dem Gesetz zum Parlament und Bundesrat. Macht was besseres draus!

  1. Will man Süchtige schützen, so bedarf es anderer Mittel. Zum Beispiel könnte man das «Einkassieren» von Geldspiel-Schulden (aka Abbuchungen auf Kreditkarten) von nicht autorisierten Casinos als illegal taxieren. Dann würden Kreditkartenfirmen von sich aus Sperren einrichten. Kein Anbieter will auf Schulden sitzen bleiben. Schon heute kann man mit CH-Kreditkarten nicht an beliebigen Orten online einkaufen.
    Selbstverständlich kann man sich wohl weiterhin via Vermittler, Kryptowährungen o.ä. darüber hinwegsetzen, aber es würde deutlich schwieriger. Packt das Problem an der Quelle, nicht in der Mitte!
  2. Will man der öffentlichen Hand (AHV, Lotteriefonds, Steuersäckel) mehr Geld zuführen, dann könnte man das System Dänemark (einfach möglichst ohne Netzsperren) einführen. Dieser NZZ-Artikel erklärt das System dort sehr gut.
  3. Will man die Gewinne der Schweizer Casinos sicherstellen, dann… oh, das war ja sicher nie das Ziel des Parlaments, oder?

Wirklich Abhilfe gegen illegale Seiten bekommt man, in dem man sich halt in mühsamer Arbeit mit den Staaten zusammensetzt, wo sie betrieben werden und sie groundet. 

Ach ja, liebe Befürworter, hört auf, das Gesetz als «gemeinnützig» zu bewerben. Das ist purer Blödsinn.


weiter...

Urs | Samstag 05 Mai 2018 - 7:22 pm | | default | Ein Kommentar
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Meine Sicht auf das Geldspiel

Wie haltet Ihr es so mit dem Geldspiel?

Hier meine «Beichte»…

Ich hatte als Jugendlicher meine erste Begegnungen damit. Mein Vater spielte manchmal (erfolglos) Lotto in der Schweiz und über einen Grenzgänger-Arbeitskollegen in DE. Hin und wieder kaufte er sich ein Los und gewann manchmal den Einsatz zurück, selten auch mal eine Fünzigernote. 

Mir selbst wurde vom Gotti auf einem Ski-Ausflug mal ein Einfränkler zugesteckt, den ich in so einen leuchtenden, blinkenden und dudelnden Kasten einwerfen konnte. Mich faszinierten die Kisten sehr.

Später schwänzten wir manchmal die Religionsstunde und nutzen die Zeit um im «Augarten» in Ennetturgi unser Taschengeld in den Flipperkasten zu investieren. Da stand auch ein «Snapspot»-Geldspielautomat, der bei einem Franken Einsatz einen Maximalgewinn von 20 Franken versprach. 

Geldspielautomat «Snapspot» aus den 1970ern

Während der Lehre hatten wir den kaufmännischen Teil der Ausbildung an der Kanti Freudenberg in der Enge. Und Kollege «Sugi», der damals ein leidenschaftlicher Zocker war, zeigte mir in der grossen Stadt die lautesten und verrauchtesten Spielsalons mit all diesen Arcade-Games. Aber auch mit diesen vielen verheissungsvoll blinkenden Geräten mit klingenden Namen wie «TrioMint», «Barcrest Joker», «Big 20 Joker», «Crazy Joker», «Jolly Joker», «Admiral Take Off», «Admiral Quattro» oder dem «Admiral Super Chip».

Geldspielautomat «Big 20 Joker»

Diese Kisten schluckten je nach Kanton und Aufstellung bis zu 5 Franken pro Spiel, hatten bereits Speicher (um Gewinne nicht sofort auszahlen zu müssen), man konnte mit der «Risiko-Taste» steigern (oder meist verlieren) und via Bonus-Spiele Einzelgewinne bis zu mehreren hundert Franken realisieren.

Aber meist hiess es ja nicht «gewinnen», sondern verlieren. Gewinnen tun ja bei Geldspielen immer nur die Wirte, Casino-Besitzer oder wer auch immer die Geräte aufstellt.

So war das logischerweise auch bei mir. Ich hatte zwar einen guten «Stifti-Lohn» (im ersten Lehrjahr bereits rund 500 Franken) und gab auch meinen Eltern davon Kost und Logis ab, aber bereits damals floss ein signifikanter Teil davon in diese Automaten.

Und so trieb ich mich auch nach der Rekrutenschule, als ich in Uetikon am See, später in Glattbrugg arbeitete und wohnte, regelmässig in den Spielsalons herum. Immer in der Hoffnung auf diese Glückssträhne… immer mit dem schlechten Gewissen und Wissen, dass es eigentlich nur eine Spielrichtung gibt. Immer mit einer gewissen Portion Wut. Nicht auf die Automaten, wie andere Leute, die mal eine Scheibe zerschlugen, sondern immer gegen mich selbst. Dass ich diesen verfluchten Mist nicht sein lassen konnte.

Auch immer mit dem Blick auf das Elend der Anderen. Die alten Frauen, welche einsam vor dem Automaten sassen und Fränkler um Fränkler ihre Rente verdaddelten. Die losen Spielgemeinschaften, bei welchen man Gewinn und Verlust teilte. Meist ohne grosse Worte, den Blick nur auf den Automaten und die Risiko-Taste. Vor sich eine Flasche Cola und immer eine Zigarette im Mundwinkel. Traurige Gestalten, zwischendurch triumphierend, wenn mal ein grösserer Gewinn angezeigt wurde. Aber meist verschwand der Saldo in kurzer Zeit wieder vom Display, während die Knöpfe wieder und wieder gedrückt wurden.

Ich spielte nur in meiner Umgebung, selten fuhr ich mal nach Konstanz, wo es ein Automaten-Casino gleich beim Bahnhof gab. Dort hatte ich mal einen Einzelgewinn von 2'500 DM, allerdings auch erst, nachdem ich rund 700 DM investiert hatte. Danach fuhr ich sofort nach Hause.

Und irgendwann an einem Abend nach einem grauen Wochentag kam ich aus einem Spielsalon in Seebach und realisierte, dass es erst der 20. des Monats war und mein Bankkonto den Saldo Null hatte. 

Zum Glück wurde mir damals die Krankenkasse und die Wohnungsmiete (da Wohnhaus des Arbeitgebers) vom Lohn abgezogen, so dass ich keine grossen aktuellen Zahlungen hatte.

Ich ging (mehr als üblich) deprimiert nach Hause und am nächsten Tag nahm ich einen Block und einen Stift (es gab damals noch keinen PC) und begann mir ein Budget aufzustellen. Ich rechnete mir aus, wieviel nach allen Rückstellungen vom Lohn übrig blieb. Wieviel davon ich künftig sparen wollte und wieviel ich mir für meine Süchte, wie eben das Rauchen und das Spielen, reservieren wollte.

Diese Aufstellung half mir, mich zu disziplinieren. Selbstverständlich stimmte ich damals «Ja» für ein Verbot der Geldspielautomaten im Kanton Zürich. 

Vor allem half mir, dass ich wenige Monate später eine neue Arbeitsstelle in Baden, im Aargau, annahm. Dort gab das Gesetz vor, dass nur in Spielsalons Geldspielautomaten stehen durften und auch da nur zwei Maschinen pro Salon. 

Casinos gab es damals ja nur im Ausland, die Eintrittshürden Distanz, Kleidung und Angst vor dem Kontrollverlust war gross genug, nie dorthin zu fahren. So bekam ich meine Sucht soweit in den Griff, dass ich irgendwann gar nicht mehr spielte.

Heute gibt es vielleicht alle paar Jahre die Gelegenheit, im fernen Ausland (Las Vegas, Macau etc.) gegen Ferienende (sicher ist sicher) einigermassen kontrolliert einen Hunderter zu verspielen. Immer mit einer gehörigen Angst vor einem erneuten Kontrollverlust und entsprechender Vorsicht.

Casino, Las Vegas, Gewinnanzeige
Auszahlungsbeleg Casino Flamingo Las Vegas

Ich gehe davon aus, dass ich in diesen Jahren in meiner Jugend total knapp eine sechsstellige Summe verspielte. Tut weh, wenn man denkt, was man mit diesem Geld gescheiter hätte anstellen können.

Und jetzt ist wohl auch klar, was ich vom «Geldspielgesetz» halte, oder? Naja, das ist etwas kompliziert, deshalb schreibe ich es in einen neuen Beitrag, der bald folgt.

Urs | Samstag 05 Mai 2018 - 10:50 am | | default | Kein Kommentar

Dinkel, es hat Dinkel im Mehl!

Kollege Hämpu hat mir von seiner Partnerin zwei Säcke mit Mehl von der Dittligmühle aus Längenbühl mitgebracht. Die Mühle mahlt aus lokalem Anbau und eigentlich schätze ich solche Angebote. Das Mehl habe ich «zum Ausprobieren» erhalten, da ich mich mit Eve länger über das Brot backen und Mehle unterhalten habe.

Etikett der Mehlmischung «Buremehl hell»

Normalerweise kaufe ich Bio-Mehle vom Coop, ausser den Roggen. Dort setze ich auf den «Pro Montagna Roggenvollkorn», ebenfalls von Coop. Der Vorteil eines Grosshändlers ist die, durch die grosse Absatzmenge mögliche, Mischung der Getreideernten und somit eine gleichbleibende Qualität hinsichtlich Wasseraufnahme und Kleber.

Mischungen kaufe ich nicht so gerne, da ich gerne vorher wissen will, welche Anteile der verschiedenen Getreidesorten da drin sind.

Aber am Sonntag wollte ich doch mal wieder ein Hefebrot backen und habe mit dem «Buremehl, hell» experimentiert. Dazu habe ich einen kurzen Poolish mit 100g Wasser, 50g Mehl, 1g Hefe und rund 3g Backmalz angesetzt.

Vermutlich habe ich mir die Wassermenge nicht korrekt gemerkt (früher schrieb ich immer alles auf am Kühlschrank hängende Zettelchen) und dann bei der Ergänzung nur mit 50g gerechnet. 

Auf jeden Fall habe ich noch rund 200g Mehlmischung hinzugefügt und dann noch ein wenig mit Weizenmehl ruch aufgefüllt. Am Schluss war der Teig viel zu flüssig und ich habe nochmals rund 50g Weizenmehl ruch hinzugefügt, bis mir die Konsistenz langsam passte.

Aber was war denn mit dem Teig in der Schüssel los. Wenig Struktur und klebrig wie Kleister. Aber nicht so Roggen-klebrig… ich überlegte lange, bekam Wutanfälle, weil ich den Teig fast nicht aus der Schüssel und von den Fingern kriegte. Ich liess ihn zweimal eine Stunde gären (nach der Hälfte falten/dehnen).

Aber auch am Schluss gefiel mir der Teig noch nicht richtig. Kaum in der Hand, wurde er anhänglich und klebrig. Das Glutengerüst war sehr schwach und mir schwante eine Erinnerung. Eine kurze Recherche mit Google brachte die Bestätigung. Die Mischung enthält nicht nur Weizen und Roggen, sondern auch Dinkel. Und wohl nicht wenig.

Mit Dinkel kämpfe ich schon lange und habe auch länger kein Mehl mehr gekauft. Es ist zwar geschmacklich eine Bereicherung und die Getreideart passt gut in unsere Landschaft. Aber das Handling von Dinkelteig macht mich meist beinahe wahnsinnig.

Ich teilte den Teig hälftig auf. Eine Portion kam in ein Tuppergefäss und in den Kühlschrank. Die andere Portion liess ich in Leinen gehen, was recht gut klappte. Ich transferierte den flachen Fladen und versuchte ihn auf meinem Cobb-Grill zu backen (der vorher noch ein nettes Kotelett gegrillt hatte).

Dazu legte ich meinen (zu grossen) Weber Pizzastein auf den Cobb und heizte rund 20 Minuten mit auf den Stein gelegtem Deckel auf. Anschliessend versuchte ich den Fladen zu backen.

Nach dreissig Minuten guckte ich nach und merkte, dass ich wohl deutlich zu wenig Hitze mit dem Cobb hatte. Vermutlich war das Kokos-Brikett schon zu stark abgebrannt und der Weber Pizzastein bekam zu viel Kälte ausserhalb des Grills/Deckels ab. Zudem war es recht kalt und zugig draussen (nach 21 Uhr).

Ich versuchte das flache Brot denn im Ofen noch fertig zu backen. Aber der Ofen war natürlich auch nicht vorgeheizt und somit war das Endergebnis immer noch flach, unten kräftig gebacken, aber oben etwas bleich.

Der Anschnitt war dann erstaunlich gut geport, aber innen immer noch etwas teigig. Nachdem ich es erst gleich entsorgen wollte, legte ich das Brot dann doch in den Brotkasten. Am Montag-Abend schnitt ich es flach auf und legte es dann länger in den Toaster. Das Ergebnis war durchaus geniessbar und knusprig. Man schmeckte den Dinkel gut heraus.

Heute hatte ich dann den Rest des Teigs aus dem Kühlschrank geholt. Ich brachte den Teig beinahe nicht aus dem Tuppergefäss. Mit viel Weissmehl bestaubt, konnte ich ihn einigermassen Formen und für eine Stunde in die Leinen legen. Danach versuchte ich den nur sehr leicht aufgegangenen Fladen einzuschneiden, was wiederum nicht wirklich gut gelang. Dann kam er für 35 Minuten auf den Stein im auf 200° C vorgeheizten Ofen.

Schon nach 10 Minuten musste ich beim ersten Kontrollblick durch das Ofenfenster halb lachen, halb fluchen. Das grosse Brötchen war in der Mitte wie eine Pyramide aufgegangen.

Das Endergebnis sieht mal optisch «herausgefordert» aus, oder wie «Herr Shearer» twittert:

Morgen gibt es noch einen Blick ins Innere und den Geschmackstest.

«Gantrisch-Brötchen» aus Buremehl, hell von der Dittligmühle

Edit vom 11.04.2018, 22:55h

Hier noch ein Bild vom Anschnitt des Brötchens, einen Tag später. Sehr saftig und aromatisch. Der Aufwand hat sich gelohnt ;-)

Anschnitt des gebackenen Brötchens mit schöner Struktur/Porung

Urs | Dienstag 10 April 2018 - 11:05 pm | | default | Kein Kommentar
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Milchbrötchen nach Art des Hauses

Die Weihnachtsbrücke habe ich dieses Jahr bis zum 7. Januar ausgedehnt, so dass ich mal wieder Zeit habe, den Biervorrat auszudünnen, den zu lange gelagerten Wein zu trinken und natürlich auch mal wieder etwas zu backen.

Ich wurde gebeten, das Rezept für diese Milchbrötchen zu teilen. Nur habe ich mir mal wieder nicht alles notiert, da ich eher nach «Handgelenk * Π» vorgegangen bin. Ich probiere es trotzdem.

Poolish

  • 30g Wasser
  • 30g Weissmehl
  • 0.1 - 0.2g Hefe

Hauptteig

  • Poolish
  • 165g Weissmehl
  • 30g Vollmilch
  • 5g Butter
  • 3.5g Salz
  • Rund 45-60g Wasser

Den Poolish in einem abgedeckten Gefäss während rund 24 Stunden bei Raumtemperatur gären lassen. Ich habe eine grössere Menge gemacht, da gleichzeitig noch ein Baguettes-Teig entstand.

Den Poolish mit den restlichen Zutaten, aber noch ohne Butter, zu einem glatten, festen Teig kneten (rund 15 Minuten). Beim Wasser musste ich etwas improvisieren. Ich gehe normalerweis von einer TA 165 aus (d.h. 100g Mehl zu 65g Wasser). Der Poolish verliert aber aufgrund des Gärvorgangs Wasser. Ich habe einfach langsam so viel Wasser hinzugefügt, bis das Mehl zu einem Teig verband.

Zum Schluss die Butter in Flocken in den Teig einarbeiten. Der Teig darf nicht zu warm werden.

Den Teig abgedeckt für zwei Stunden zur Gare stellen, ich hatte das Fensterbrett über der Heizung, so dass er wohl so rund 25° hatte. Nach jeder Stunde den Teig dehnen und falten. Danach in einem Gefäss über Nacht in den Kühlschrank (rund 4-5° C) stellen.

Teig bereit für die Übernacht-Gare im Kühlschrank

Am Morgen den Teig rund eine Stunde akklimatisieren lassen. Danach vier Brötchen abstechen und rundschleifen/formen. Die Brötchen zwei Stunden in Leinen bei Küchentemperatur abgedeckt gehen lassen. Meine hatten danach eine leichte Haut, da die Leinen nicht sauber abgedeckt hatten. Ich habe sie dann kurz mit Wasser abgesprüht.

Brötchen nach Stückgare

Im gut vorgeheizten Ofen bei 220° auf 180° C fallend während 20 Minuten mit viel Dampf backen.

die gebackenen Milchbrötchen

Varianten: etwas mehr Hefe, dann gröbere Porung möglich. Etwas Malz für mehr Süsse.

Ergebnis, feinporige Brötchen mit einem feinen Butterduft. Lecker…

Anschnitt eines Milchbrötchen nach Art des Hauses

En Guete! :-)

Urs | Mittwoch 03 Januar 2018 - 1:18 pm | | default | Kein Kommentar
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Urs, unterwegs mit Urs

Nein, ich bin (vermutlich?) nicht schizophren…

Aber mit einem früher durchaus häufigen Vor-, und zudem mit einem auch relativ weit verbreiteten Nachnamen gesegnet. Meine Eltern waren sich nicht einig, sollte ich doch erst nach väterlicher (Un)Sitte Josef heissen. Aber auch das mütterlich gewünschte Georg, welches durchaus zu einem Schorsch (Gaggo) hätte werden können, setzte sich nicht durch.

Ah, wo war ich stehengeblieben… beim Urs! Mit dem ich unterwegs war, heute vor zwei Wochen am Samstag.

Darf ich vorstellen, das ist Urs Arbeitsplatz.

Cockpit im Steuerwagen Bt IC

Aber wie kommt es, dass ich mit Urs unterwegs sein durfte?

Ich lernte Urs vor etlichen Jahren «kennen», per Mail! Da ich schon früher aus technischen Gründen meine E-Mailadresse in Form von «Vorname.Middle.Nachname» erhalten hatte, erbte Urs damals bei der Ausrüstung des gesamten Lokpersonals mit E-Mail die einfache Variante mit «Vorname.Nachname». Da ich häufiger an IT-Veranstaltungen teilnahm und man mich danach bespammte, bekam Urs jeweils die ganze Mail-Breitseite ab.

Zuverlässig, wie er nun mal war, leitete er die Mails jeweils an mich weiter und so kamen wir in Kontakt. Damit das nicht so trocken rüber kam, merkte er jeweils an, wo er unterwegs war. Oder, welche IT-Probleme ihn grad plagten. Diese E-Mail-Freundschaft kulminierte manchmal, wenn wir im Intranet Kommentare zu Beiträgen abgaben. Also wenn Urs zum Beispiel annahm, dass der Kommentar zu diesem Beitrag von Urs sei, aber in Wirklichkeit von mir, also Urs war. Es gibt nämlich noch einen Urs, der ebenfalls Lokführer ist. Der aber bei einer anderen Gewerkschaft als Urs ist. Im Unterschied zu mir, da ich nicht mehr in einer Gewerkschaft bin. ;-)

Irgendwann im Verlauf der vielen Mails, bot mir Urs an, mal mit ihm eine Fahrt zu unternehmen. Ich fand das einen sehr sympathischen Zug ;-)

Allerdings wollte ich nicht einfach nur von A nach B mitfahren, diese Gelegenheit hatte ich in meiner beruflichen Vergangenheit schon mehrmals gehabt. Ich wollte gerne auch die Gegebenheiten rundherum kennenlernen und habe ihn deshalb gebeten, ihn mal auf einer Tour zu begleiten. Also inklusive Vorbereitungsaufgaben etc.

Als ich Anfang Dezember nach den Ferien meine Mailbox durchackerte, lag da wieder mal eine weitergeleitete Mail im Briefkasten und darin fand ich zwei Angebote. Samstag, 9. Dezember am Vormittag oder am 23. Dezember am frühen Abend. Da ich eine Fahrt durchs Dunkle eher an einem lauen Sommerabend genossen hätte, entschloss ich Morgenmuffel mich für den 9. Dezember.

Urs hatte die Mitfahrt ganz korrekt angemeldet und bewilligt bekommen. Da ich als «Bähnler» eine gewisse Kundigkeit aufweise, musste die Fahrt nicht durch einen weiteren Begleiter ergänzt werden.

Da ich mich im Normalfall ja nicht mehr in Gleisnähe aufhalte, habe ich keine Schutzausrüstung. So holte ich mir bei unserem Facility-Management eine Warnweste, organisierte bei den Kollegen ein LEA (wow, wusste gar nicht, dass es da einen so gut ausgebauten Wikipedia-Artikel gibt) mit dem Fahrplan, stellte die guten Schuhe bereit und aktivierte auf iPhone und iPad je zwei Weckersequenzen (sicher ist sicher).

Generalanzeiger Bahnhof Bern

Pünktlich – 10 Minuten vor der Zeit, ist des Eisenbahners Pünktlichkeit, hiess es früher –, eher etwas überpünktlich, da es kräftig geschneit hatte, stand ich also in der Halle des Bahnhof Berns. Um 7:31 Uhr sollte es ab Gleis 3 mit einem Entlastungsschnellzug (IR) nach Domodossola gehen.

Bereitstehender Zug nach Domodossola

Der Führerstand war noch leer und die roten Lichter signalisierten, dass der Zug noch nicht bereit zur Abfahrt war. Einen Moment wurde ich unsicher, fuhr der ev. über das Gürbetal? Kaum, ich hatte ja im LEA nachgeschaut und da ging es via Aaretal nach Thun.

Steuerwagen Bt IC von Aussen

Da kam einer, ging auf den Führerstand. War das Urs? Ich wusste ja nicht einmal, wie er aussah. Nein, der sah von der Uniform her eher wie ein Zugbegleiter aus. Und tatsächlich, er legte nur den Lastzettel auf die Lok. Dann, da kam einer mit forschem Schritt und Rucksack auf mich zu. «Salut Urs! Salut Urs», so schaute ich dem Kollegen das erste Mal ins sympathische Gesicht. :-)

Wir hatten nicht viel Zeit, der Zug musste ja noch aufgerüstet werden. Also setzte ich mich auf dem Stuhl neben dem Führerstand und guckte zu, wie Urs den Bordrechner bediente, die Zugdaten (Länge der Wagen) eingab, sich am Funk anmeldete und dann die Bremsen prüfte. Schon war das Ausfahrsignal auf Fahrt mit 40 Km/h (grün/gelb) und der Abfahrbefehl erreichte Urs per sicherer SMS.

Während sich der Zug 10051 von der Re 460 in der Zugmitte angetrieben, langsam aus dem Bahnhof schob, nahm ich den Ausweis, der mich zum Aufenthalt auf dem Führerstand berechtigte, in Empfang.

Und so ging es durch das frisch verschneite Aaretal zügig Thun entgegen. Die Signale kenne ich recht gut (mindestens die klassischen vom Typ L), da ich ja auch mal eine Prüfung ablegen musste. Aber mir war nicht bewusst, wie stark frischer Schnee die Sichtbarkeit von schlecht beheizten Signalen oder gar ortsfesten Geschwindigkeitstafeln beeinflusst. Da zeigt es sich die Wichtigkeit der Streckenkundigkeit, welche Lokführer und Lokführerinnen aufweisen und trainieren müssen.

Vor Frutigen erfolgte dann die Anmeldung am ETCS für die Fahrt mit Level 2 durch den Lötschbergbasistunnel. Urs erklärte mir die Anzeige auf dem Rechner, welche ihm die vorausliegenden Abschnitte und die Sollgeschwindigkeit vorgibt. Obwohl wir so viel Schub wie möglich gaben, kam der Zug aber in der leichten Steigung (3‰) nicht auf die vorgegebene Geschwindigkeit von 200 Km/h. Die Züge bringen bei Schnee wohl zu viel Feuchtigkeit in die warme Tunnelröhre und der Schienenzustand erlaubt es dann nicht, die volle Leistung der Re 460 auf die Schiene zu bringen.

So erhielt Urs nach kurzer Zeit einen Kontrollanruf von der Betriebszentrale, was denn los sei. Erst im letzten Drittel, wo es dann leicht nach unten geht, kamen wir auf die Sollgeschwindigkeit. Und schon hiess es Bremsen, da wir das Südportal bei Raron erreichten. Dort schoss nicht nur unser Zug aus dem Tunnel, sondern auch viel feuchte, warme Luft kondensierte in der Kälte. Mit rund 6 Minuten Verspätung erreichten wir Visp.

Ab Brig wurde es dann erneut sehr interessant. Der Simplontunnel ist ja schon fast historisch und da gab es neben der Tunnelstation in der Mitte mit einem Spurwechsel auch viel über die nachfolgende Strecke zu erzählen. Auf italienischem Gebiet wird die Infrastruktur von der Ferrovie dello Stato (FS), also heute von der Rete Ferroviaria Italiana (RFI) betrieben. Die Anlagen sind italienischer Bauart, nur die Signale sind Schweizer Bauart. Es gelten aber viele spezielle Vorschriften. So ist bei der Einfahrt in einen Tunnel, bei der Begegnung mit einem anderen Zug und in weiteren Sonderfällen ein Signal zu geben (Typhon/Makrofon). Zudem gibt es spezielle Signale für Hupac-Züge, welche auf dieser Strecke wegen nur eingleisig ausgebauter Eckhöhe jeweils nur auf einem der beiden Gleise fahren dürfen.

Auch die Einfahrt in Domodossola muss mit Vorsicht erfolgen, da in der Bahnhofmitte das Stromsystem von SBB (15 Kilovolt, 16 2/3 Hertz Wechselstrom) zu FS (3 Kilovolt, Gleichstrom) wechselt.

In Domodossola hatten wir eine knappe Stunde Pause und Urs fragte mich, ob ich auf den Markt wolle. Ich schloss mich jedoch ihm an und wir tranken kurz einen Kaffee und nutzten den Rest der Zeit unter anderem auch für einen Gang ins Personalzimmer und eine Toilettenpause, welche man ja als Lokführer nicht einfach mal so machen kann, sondern ein wenig einplanen muss.

Da wir so genügend Zeit hatten, zeigte mir Urs noch die Details der Re 460. Die Warnung, dass man im Maschinenraum nichts berühren darf, war nur zur Erinnerung. Ich bin in Sachen Starkstrom noch bestens im Bild und sehr vorsichtig.

Blick durch den Maschinenraum der Re 460

Urs erklärte mir draussen nach einem Kontrollblick nach oben, dass der Stromabnehmer für die Fahrt durch den Lötschbergbasistunnel noch gewechselt werden müsse, um genügend Anpressdruck und eine störungsfreie Fahrt zu haben.

Ich durfte dann unter sorgfältiger Aufsicht von Urs den Zug aufrüsten. Eine Arbeit, die das Lokpersonal häufig unter Zeitdruck, aber immer sehr sorgfältig und in korrekter Reihenfolge durchführen muss. Ich muss sagen, dass ich grössten Respekt vor der Maschinerie vor mir hatte!

Zurück auf den Sessel nebenan und noch einen kurzen Schwatz mit dem Lokführer eines eben angekommenen Zuges und schon waren wir wieder unterwegs nach Norden in Richtung Brig.

Blick aus dem Führerstand in Richtung Simplon, Ausfahrt Domodossola

Ab Brig fuhren wir den Zug als Leermaterialfahrt via Bern ins Weyermannshaus und wendeten ihn dort, um ihn zurück in den Bahnhof Bern für die Abfahrt zu bringen. Dort endete die Tour und ein neuer Lokführer übernahm den Zug.

Bern, Weyermannshaus, bereit zur Rückfahrt nach Bern

Unterwegs kam ich wieder meiner Vergangenheit als Betriebsdisponent näher. Die Signale, das Beobachten des Fahrwegs nahmen mich so in den Bann, dass ich zwischendurch den Blick nach vorne richtig «wegreissen» musste. Ich genoss das ruhige Gespräch mit Urs. Über seinen Werdegang, wie er als kleiner Junge bei der Loktaufe der Ae 6/6 Langenthal das erste Mal auf einem Führerstand war bis zu seiner Zweitausbildung als Lokführer. Über die Veränderungen bei der Bahn im Zuge der Divisionalisierung und seinen Wechsel von SBB Cargo zum Personenverkehr. Oder über die gemeinsame Abneigung gegen Frühdienste, warum ich Betriebsdisponent und nicht Lokführer wurde und viele weitere Dinge ;-)

Sicher half, dass wir in ähnlichem Alter sind, eine Lebenserfahrung haben… und beide Urs heissen :-)

Es war ein wirklich schöner Tag und die Gelegenheit, wieder etwas «Bahnnähe» zu schnuppern und einen sehr netten, aufgeschlossenen Kollegen und Menschen kennenzulernen.

Urs | Mittwoch 13 Dezember 2017 - 10:33 pm | | default | Ein Kommentar