Wer richtet denn über die Richter?

Ein Ausflug in das CH-Justizsystem

Am Anfang stand ein Retweet von Zora mit folgendem Inhalt:

Tweet von Claudio Zanetti

Der SVP-Politiker verweist darin auf den Artikel im Tagi über die Reduktion des Strafmasses gegen einen Mörder, der seine Frau in aller Öffentlichkeit auf grausame Art und Weise umgebracht hat. Das Zürcher Obergericht hat das Strafmass von «Lebenslänglich» auf «20 Jahre» reduziert. Der Tagi - Journalist, Thomas Hasler (der selber Aus-/Weiterbildungen an Richter/Richterinnen gibt), beschreibt das Verhalten des Angeklagten und auch die Begründung der drei Richter im letzten Absatz des erwähnten Artikels mit ein paar Sätzen.

Der Prozess fand vor der II. Strafkammer des Obergerichts Zürich am 14. Mai 2013 registriert unter der Geschäfts-Nummer SB120355-O statt.

Zanetti betrachtet die Reduktion des Strafmasses durch einen 2:1 - Entscheid des Obergerichts wohl als «Kuschelurteil» von Links-Grün gegen Schweizer Demokraten zu Gunsten eines «bösen Ausländers». Ob er das einfach vermutet oder aus mir unbekannten Quellen erfahren hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

Zora hat den Tweet aufgenommen und stört sich daran, dass ein Mann hier offenbar für einen schrecklichen Mord an seiner Frau nicht die Höchststrafe erhalten hat. Vermutlich (korrigiere mich) auch am im Artikel mit «Man solle die Höchststrafe «nicht leichtfertig ausreizen», denn es gebe noch schwerer wiegende Tötungsdelikte» zitierten Spruch der Richter.

Es gab dann ein leicht entnervtes (mich mindestens) Ping-Pong zwischen Zanetti, Zora und mir über die Richter und die Justiz.

Bevor wir nun in die Tiefe tauchen, lasst mich klarstellen:

  • Die Tat dieses Mannes war heimtückisch, brutal, unentschuldbar und hinterlässt verletzte Menschen und Seelen, welche das niemals vergessen werden.
  • Für diese Tat soll er ins Gefängnis und damit büssen.
  • Aber, keine Busse oder Sühne macht das Verbrechen ungeschehen.
  • Der Täter hat nun statt lebenslänglich *nur* 20 Jahre bekommen, das ändert aber eigentlich nichts an der Strafe. Er kann nun bei gutem Verhalten nach 13, anstelle nach 15 Jahren bedingt entlassen werden. Er wäre dann frühestens 71 Jahre alt.

An folgenden Punkten entzündete sich die Diskussion:

1. Sollen die Namen von Richtern/Richterinnen veröffentlicht werden?

Kurz sogar, sollen wir über Richtersprüche urteilen und die Personen, welche dahinter stehen, dafür «verantwortlich» machen.

Meine Meinung dazu ist klar. Die Richter und Richterinnen urteilen aufgrund der Gesetze, welche von der Legislative (dem Volk bzw. dessen Vertretung, zB dem Parlament in Bundesangelegenheiten) erlassen wurden. Dazu wurden sie ausgebildet. Sie orientieren sich dabei neben den Gesetzen auch an Referenzurteilen und Ausführungsbestimmungen. Dabei urteilen sie neutral und eben in ihrer Funktion, nicht in ihrem eigenen Namen. Deshalb ist es auch nicht angebracht, Richter oder Richterinnen persönlich zu kritisieren.

Ist jemand mit einem Richterspruch nicht einverstanden, so steht in der Regel die Berufung gegen ein Urteil an eine höhere Gerichtsinstanz zur Verfügung. In diesem Fall zum Beispiel vom Bezirksgericht zum Obergericht zum Bundesgericht.

2. Hätte ein Gericht mit Frauenanteil anders entschieden?

Nun sind wir definitiv im Reich der Spekulation. Natürlich sind Richter und Richterinnen auch nur Menschen, keine Super-People. Sicher spielt auch Ermessen irgendwo eine Rolle. Aber ich traue einem Richter wie auch einer Richterin zu, dass sie hinter die Person zurücktritt und die Sache beurteilt. Spielt es eine Rolle, ob ein Mann eine Frau umgebracht hat oder eine Frau einen Mann? Spielt es eine Rolle, welche Waffe verwendet wurde?

Ich werde diesen Richterspruch versuchen weiter zu analysieren und mich auch in meinem Bekanntenkreis umhören, welche hier durchaus etwas dazu sagen kann.

3. Warum werden Richter/Richterinnen von politischen Parteien gewählt?

In der Schweiz werden Richter in der (kantonalen) Regel von den Parteien nominiert und gewählt. Teilweise gibt es auch Volkswahlen, jedoch eher selten. Siehe auch diesen Artikel auf NZZ-Online.

Ich habe dieses Vorgehen nicht in Frage gestellt, aber angemerkt, dass eine Volkswahl aus meiner Sicht völlig verfehlt sei und auf die USA hingewiesen. Dort werden auf lokaleren Ebene Richter, Staatsanwälte, ja sogar Polizei-Chefs vom Volk gewählt. Mit dem Effekt, dass sich die Leute um ihre Wiederwahl und somit ihren Job Sorgen machen müssen. Das führt unter anderem dazu, dass gerne voreilig Verhaftungen und eher drakonische Urteile vorgenommen werden. Schliesslich kriegt man eher eine Wiederwahl, wenn man xx Verhaftungen, schwere Verurteilungen vorgenommen hat und die «Bösen» ins Kitchen oder gar auf den Stuhl gebracht hat.

Das Schweizer Vorgehen führt einfach dazu, dass sich Richter von Parteien portieren lassen müssen und dazu in der Regel das Parteibuch der jeweiligen Partei erwerben «dürfen». Meist sind diese Richter vorher nicht bei dieser Partei eingetragen. Und ja, die Partei von Zanetti hat häufiger als andere Probleme, fähige Richter zu finden, die sich bei ihnen einschreiben. Woran das wohl liegen könnte? Richt, Mörgeli würde sofort erkennen, dass es daran liegt, dass alle Richterinnen und Richter aus Prinzip grünlinke Socken sind ;-)

Und noch meine eigenen Erkenntnisse aus dem Umgang mit Richtern: «Recht haben» und «Recht bekommen», sind leider zwei verschiedene Sachen. Aber warum soll ich wegen einer negativen Erfahrung nun allen Richtern und Richterinnen Böses unterstellen?

Und noch etwas, warum soll sich in Zukunft eine Person, egal ob Mann oder Frau, für dieses Amt zur Verfügung stellen, wenn sich der (mit Verlaub) «Pöbel» anmasst, jeden Urteilsspruch in der Öffentlichkeit in Frage zu stellen und über die Person (nicht das Urteil!) herzufallen? Schlussendlich gibt es bei jedem Urteil einen «Gewinner» und einen «Verlierer», also jemand potentiell Unzufriedenen.

Siehe auch diesen Blogbeitrag, welche die Sicht der Frau auf den Fall ins Zentrum stellt.

Urs Donnerstag 16 Mai 2013 - 8:53 pm | | default

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