USZeit 2018, On The Train Again

Jaja, das Original geht ja «On The Road Again» und ist von Willie Nelson. Zum Zugfahren würde ja eher der Song «City Of New Orleans» von Arlo Guthrie passen. Aber hey, eine Recherche mit der Suchmaschine der Qual hat sogar Songs über «meinen» Zug, den «California Zephyr» ausgespuckt. Der Hank Williams Sr hat einen ziemlich schrammligen Song über den Zug gemacht, damals gab es noch keine Amtrak.

Aber zurück zum Thema. Im vorherigen Beitrag ging es ja darum, dass ich es knapp auf den Zug geschafft hatte. Nun also zur Zugsreise selber.

Mittwoch, unterwegs

Am Vorabend war ich sehr schnell eingeschlafen. Die Nacht durch schlief ich einigermassen gut. Die Klimaanlage war noch etwas stark offen, so dass ich etwas kühl hatte. So rief gegen Morgen mal der Körper. Die Doppelstockwagen der Amtrak haben im oberen Stock eine Toilette. Im unteren Stock hat es zwei weitere, aber die Treppe ist relativ eng und verwinkelt. Ich wundere mich manchmal, wie es die durchaus noch etwas beleibteren und älteren Mitreisenden dort hoch und runter schafften.

Wir hatten ja schon am Vorabend ziemlich Verspätung eingefahren und in der Nacht war es nicht besser geworden. Ich ging gegen acht Uhr mal runter in die Dusche. Ich stand schon in der Dusche drin, brachte aber das Wasser nicht an. So ohne Brille dachte ich, es reiche, wenn man den Wasserknopf betätige (dicke Taste zum reindrücken). Der untere, mit «2» beschriftete Hebel stand meines Erachtens auf «lauwarm». Also nochmals kurz in den Pijama und Vicky rufen. Sie zeigte mir dann, dass der untere Hebel ganz gedreht werden muss, um das Wasser in Gang zu setzen. Eh, habe ich wohl vom letzten Mal vergessen.

Danach ging es zum Frühstück, wo ich auf Phil und seine Frau traf. Die beiden waren ziemlich wohlhabende Pensionäre, die neben ihrem «normalen» Haus in upper Michigan auch noch eine Winterresidenz in Florida haben. Die andere Mitreisende neben mir war sehr kurz angebunden und stellte sich nur mit Namen vor. Ich vermute, sie hatte eine leichte körperliche Behinderung (zerebraler Art), welche sich auch ein wenig auf Ihre Sprache niederschlug.

Phil und ich unterhielten sich gut, er merkte sich auch meinen Namen. Es machte ihm auch später Freude, wenn er mich irgendwo im Zug wieder sah, mich Urs nennen zu können.

Wir erreichten dann erst gegen 10:30 Uhr Denver, wo der Zug nach Plan bereits um 7:15 Uhr hätte ankommen sollen. Denver ist ein Sackbahnhof, der Zug fährt deshalb über ein Gleisdreieck zuerst etwas am Bahnhof vorbei und wird dann rückwärts in den Bahnhof eingeschoben.

Der «California Zephyr» bei der Einfahrt in den Bahnhof Denver über ein Gleisdreieck

Der Zug hält hier gemäss Fahrplan während 50 Minuten. Damit war es möglich, den Zug etwas zu verlassen, um sich die Beine zu vertreten. Amtrak unterhält den Zug hier. Ein «Visiteur» untersucht Drehgestelle und Bremsen, es gibt frisches Essen und der Abfall wird entsorgt. Ein Team sorgte für gute Durchsicht, in dem sie entlang beiden Seiten des Zuges die Fenster nass reinigten!

Die Fenster des «California Zephyr» werden nass gereinigt

In Denver wechselten auch die «Conductors» (Zugbegleiter) und die «Engineers» (Lokführer). Einer der neuen Lokführer trug am Rucksack eine dicke Rolle «Duct Tape» (silbernes Isolierband). Damit kann ja fast alles repariert werden und ich hoffte auf eine problemlose Weiterfahrt ;-)

Lokführer mit Klebebandrolle. Macht mE gerade ein «High Five» mit dem Sohn der ankommenden Lokführerin

So irgendwann nach 11 Uhr wären wir dann bereit für die Abfahrt gewesen. Der Zug fuhr dann auch los, aber schon nach wenigen hunderten Metern kam er zum Stillstand. Offenbar gab es noch bevorzugten Güterverkehr. Nach rund zwanzig Minuten setzte sich der Zug wieder in Bewegung, aber in die falsche Richtung. Wir schoben wieder zurück nach Denver. Offenbar hatten die Dispatcher der BNFS, welche den Zugverkehr auf ihren Gleisen regeln, beschlossen, dass wir noch länger nicht los dürfen.

So wurde es dann rund 13 Uhr, bis es wirklich weiterging. Eine doch recht happige Verspätung von nun fünf Stunden! Beim späten Mittagessen begann der Zug dann in die Rockies einzufahren. Die Strecke hat extrem enge Kurvenradien, man wundert sich, dass über diese Gleise auch schwere und lange Güterzüge verkehren.

Die folgende Aufnahme ist aus dem Zugfenster (deshalb die Abschattung rechts) kurz vor der «Big Ten Curve», bei welcher der Zug mit einer grossen Schlaufe an Höhe gewinnt. Die Steigungen sind hier bis zu 20 Promille.

Amtrak «California Zephyr», Kurvenbild aus Speisewagenfenster vor der «Big Ten Curve», kurz nach Denver

Das Wetter verschlechterte sich dann und es begann zu regnen. Toll, dabei waren doch die Fenster frisch gereinigt. Der Zug gewann weiter an Höhe und folgt dabei dem South Boulder Creek - Flüsschen. Ein Kulminationspunkt ist dann der rund 10 Kilometer lange Moffat-Tunnel auf 2'816 Metern über Meer

Auf der anderen Seite kamen wir dann in Alpine an, wo wir wiederum kurz raus durften. Auf den fernen Gipfeln lag ein wenig frischer Schnee. Vicky zeigte mir auf dem Smartphone Bilder von ein paar Tagen zuvor, wo man noch deutlich mehr Schnee sah.

Kurz vor dem Bahnhof von Alpine, Colorado

Irgendwann nach Granby fährt man dann in die Canyon Landschaft beim Colorado River ein und hat beinahe zwei Stunden keinen Handy-Empfang. Die Landschaft war im frühen Abendlicht wunderschön, ich konnte mich beinahe nicht satt sehen.

 Das Nachtessen war wieder mit Phil und Frau, neben mir sass eine junge Frau. Das Gespräch drehte sich um Wein (offenbar das Geschäft von Phil und Frau vor der Pension). Die junge Frau überraschte mich, dass sie «Vinho Verde» kannte. Sie war mit ihrem Verlobten auf einer Flusskreuzfahrt auf dem Douro gewesen.

Und schon bald hiess es Zähne putzen und das von Vicky frisch hergerichtete Bett beziehen. Ich legte mich auf den Rücken und sah auf, zu diesem wunderschönen Sternenhimmel. In der Nacht sollten wir in Salt Lake City vorbeikommen und wieder etwas Zeit gut machen.

Donnerstag, Ankunft in San Francisco

Das mit der Dusche hatte ich ja im Griff, die Uhrzeit stimmte soweit auch, obwohl wir in der Nacht von der Mountain Time eine Stunde zurück auf Pacific Time gesprungen waren.

Das Frühstück bescherte mir neue vis-à-vis. Das Pärchen war leicht anders angezogen und so bestätigte mir ihr Dialekt bei der Bestellung meine Vorurteile. ;-) Es waren – natürlich – Briten, aus Windsor. What a lovely surprise! :-)

Die Beiden waren auch unterwegs nach San Francisco, wollten danach weiter mit dem Flugzeug nach Memphis und von dort via Ostküste wieder heim. Wir unterhielten uns vorzüglich über ihre Pläne, nach Frankreich auszuwandern, wo sie im mittleren Süden ein Häuschen gekauft haben. Die sprachlichen Unterschiede zwischen England und den USA waren Thema und ich konnte sie mit einer lustigen Anekdote über Herrn H. L.s und meiner Reise nach Wales (Becon Breacons / Merthyr Tydfil) zu einem lauten Lachen bringen.

Morgenlicht über Nevada

Nach dem Mittagessen, bei welchem ich mit mit beinahe-Abteil-Nachbarn über deren Ferienhaus in Nordkalifornien, das eben viel zu teuer gewordene, überlaufene Kalifornien und allerlei andere Begebenheiten unterhielt, begann kurz nach Reno der Anstieg durch die Sierra Nevada über den Donner-Pass. Kurz vor Mystic ist die Staatengrenze Nevada/California erreicht.

Entlang des Truckee River und des Interstate 80, kurz vor Mystic, CA

In der Nacht hatten wir nicht viel Verspätung aufgeholt. Aufgrund eines medizinischen Notfalls hatten wir noch einen Extrahalt, wo eine Person mit Problemen von der Ambulanz abgeholt wurde. Eigentlich war es mir soweit egal, aber ich verständigte dann doch über E-Mail mein Hotel, dass es sehr spät werden könne. Vicky und der aktuelle Conductor meinten zwar, wir könnten gegen Ende der Reise noch eine Stunde aufholen. Aber sicher ist sicher.

Ich beschäftigte mich noch ein wenig mit AT&T (falsch gebuchte Datenpakete) und zum wiederholten Mal mit Hotels.com. Die gehen mir langsam auf den Sack. Ich habe immer noch keinen Status zu meinem Problem mit dem Hotel in New York. Die Mailserver von Expedia (hinter Hotels.com) blocken meinen Mailserver und die Problembearbeiter sind Bürokraten oder Vogonen :-(

Nach dem Scheiteltunnel erscheint der Donner Lake und danach beginnt der kurvenreiche Abstieg in das Sacramento Valley. Der Zug fährt hier, wie schon beim Aufstieg, mehrheitlich mit nur rund 40 Kilometer pro Stunde.

Donner Lake, California

Während der Zug wieder mit zunehmender Geschwindigkeit (maximal rund 130 Km/h) durch die Ebene fuhr, begann es schon bald einzudunkeln. Das Abendrot leuchtete sanft über den Hügeln vor dem Napa Valley.

Abendrot über California

Schon bald zuckelte der Zug in den Grossraum San Francisco ein. Ich hatte mich am Nachmittag noch schlau gemacht, wie ich von Emeryville nach San Bruno zum Hotel komme. Die Suchmaschine der Wahl empfahl mir, nicht in Emeryville auszusteigen, sondern kurz vorher in Richmond. Dort kommt man sehr einfach zu Fuss durch die Unterführung zur BART. 

Kurz nach 20 Uhr, mit ein wenig mehr als vier Stunden Verspätung trafen wir in Richmond ein. Vicky half mir mit meinem etwas schweren Koffer (da hat es ja vier grosse Dosen Bier drin ;-)) die Treppe runter und beim Aussteigen. Natürlich hatte ich ihr rechtzeitig angekündigt, dass ich in Richmond, anstelle Emeryville aussteigen werde. Schliesslich ist mir die Aufregung der Schlafwagenschaffnerin auf der Reise mit St. J. vom Dezember 2012 noch in Erinnerung. Da muss natürlich der Conductor vorher informiert werden ;-)

Ich drückte Vicky noch ein Trinkgeld in die Hand und wünschte ihr eine gute Reise bis zum Ende. Sie hatte ja eine kurze Nacht. Der California Zephyr fährt bereits am nächsten Tag um 9:10 Uhr wieder mit ihr zurück. Und sie muss natürlich zwei Stunden vorher wieder auf dem Zug sein.

Vicky hatte sich noch etwas abfällig über die BART bzw. die Fahrgäste geäussert. Ich war entsprechend doch etwas nervös auf dem dunklen Perron mit den vielen, eher etwas zwielichtigen Menschen. Aber der Bahnhof war mit einer Sicherheitsperson ausgestattet und ich beruhigte mich schnell. Die Fahrt dauert mit einem Umsteigen rund 80 Minuten. Dank St. J.s ClipperCard, welche ich am Automaten mal mit 20 $ fütterte, war das Ein- und Aussteigen kein Problem.

Um halb zehn Nachts stand ich endlich in meiner Suite im Staybridges in San Bruno. Die Suite besteht aus einem Badezimmer mit einem grossen Vorraum und Platz für Kleider/Koffer, dem Schlafzimmer, dem Wohnzimmer und einer Küche mit grossem Kühlschrank und Microwelle.

Panoramabild, klicken um zu vergrössern. Zeigt die Suite im Staybridges in San Bruno

Das Zimmer riecht etwas stark nach dem Teppichshampoo. Ich bestellte noch bei der Empfehlung der Reception eine Pizza, welche mich etwas überforderte. Der Rest landete deshalb im Kühlschrank. Das von Chicago her aufgesparte «Sparkling Mineral Water» sollte den Durst löschen. Es war aber von der langen Zugfahrt und den Höhenunterschieden etwas «geladen» und bescherte mir auch ein etwas nasses Pijama-Oberteilt. 

Egal, ich war froh, wieder mal ein Bett zu haben, das nicht schaukelt. Schön, am zweiten Etappenziel zu sein.

Urs Samstag 08 September 2018 - 03:58 am | | default
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Ein Kommentar

Tinu Zeller
Tinu Zeller, (URL) - 08-09-’18 14:42
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