Am späteren Nachmittag fuhren wir dann mit dem Tram zum Epizentrum des Atombombenabwurfs damals am 6. August 1945 um 8:16 Uhr. Die damalige Ausstellungshalle für Industriegüter war eines der wenigen betonierten Gebäude und blieb somit in Teilen stehen.
Innerhalb einer Sekunde hatte die Detonationswelle 80% der Stadt zerstört und 70- bis 80'000 Menschen sofort getötet. Darunter waren nicht sehr viele Soldaten, sondern hauptsächlich Zivilpersonen. Davon auch viele Jugendliche und Kinder, welche daran waren, gezielt Gebäude zu zerstören, um bei einem (konventionellen) Angriff der Alliierten Feuerschneisen gegen die Brände zu haben.
Ich setzte mich zuerst hin und las mich noch einmal durch die Unterlagen, um dem Gefühl der Trauer eine rationale Erklärung des damaligen Angriffs entgegenzuhalten.
Später ging ich über die Motoyasu Brücke hinüber, wo gerade am Children's Peace Monument ein Kinderchor sang. Auch ein etwas abgebrühter alter Mann wird da still. Danach ging ich zum Friedensmuseum, wo Hene auf mich wartete.
Wir besuchten gemeinsam das Museum, sahen die Bilder und Ausstellungstücke, die persönlichen Gegenstände und die Geschichten der Menschen. Natürlich kannte ich viele Dinge davon, schliesslich gibt es ja hervorragend aufgearbeitete, historische Filme über den ersten Atombombenabwurf in einem Krieg. Aber hier vor Ort geht das ganz anders unter die Haut. Eine Mischung von Trauer und Hilflosigkeit schleicht sich lähmend ins Gehirn, das Museum ist auch ein Ort von grosser Stille. Fast niemand spricht und wenn, dann ist es ein leises Wispern. Gleichzeitig stieg in mir aber auch eine Wut auf. Auf die Militärs und Politiker, die den Krieg damals so eskalieren liessen. Auf die Nationalisten, die lieber ihr ganzes Volk untergehen lassen wollten, anstelle zu kapitulieren. Und natürlich kamen in mir die Bilder der zerstörten Städte aus der Ukraine oder Tschetschenien hoch, an den Wladimirowitsch, welcher der Ukraine und dem Westen mit dieser Waffe droht.
Am Ende der Ausstellung hat es noch mehr historische Informationen über den Krieg und den Bau der Bombe. Hier war es sehr interessant, die Informationen des Westens (aus dem Web) mit den Informationen Japans in den Displays zu vergleichen. Die Sieger schreiben die Geschichte, aber auch die Verlierer schreiben eine Version dazu.
Wir machten uns dann per pedes auf den Weg in Richtung Hotel, um kurze Zeit später in der Hondori Shopping Street an einer Taito Game Station halt zu machen. Hier gab es auf vier oder fünf Etagen Spielautomaten aller Couleur, von denen wir zu 99% nichts verstanden. Eine Guitar Hero Maschine konnten wir aufgrund einer Gitarre identifizieren und daneben knebelte ein junger Mann auf einem Schlagzeug-Automaten herum. Wir investierten rund 2 Franken in einen Loksimulator, wo es mir Freude machte, Hene beim Versuch, zentimetergenau eine S-Bahn anzuhalten, zuzuschauen.
Leicht überfordert mit den vielen Bedienelementen und Anschriften in japanischer Sprache, verfehlte er den geplanten Halteort jeweils um etwas mehr als einen halben Meter. Das hätte in Real Life wohl einen Aufstand an der Haltestelle gegeben. 😉
Die kleinen Nebenstrassen sind in der Regel mit kleinen Restaurants bestückt, auch dieses Mal landeten wir in so einem. Beim Eingang hatte es eine Raucher-Ecke und die Bedienung machte erst etwas abwehrende Handzeichen. Es stellte sich heraus, dass gewisse Menüs schon ausverkauft war. Mit viel herumfuchteln und etwas englisch, liess man uns dann doch eintreten. Wir wurden nach kurzer Wartezeit über eine enge, steile Treppe ins Obergeschoss geführt, wo es kleine, durch Holzwände getrennte Abteile gab. Ganz hinten hatte es ein grosszügiges Abteil, wo wir unsere Jacken aufhängen und Platz nehmen konnten. Wir konnten wiederum mit einem Tablett aus einem englischen Menu auswählen. Hene bekam einen Salat mit Burrata, ich bestellte sehr kurz über rauchigem Feuer angebratenen Fisch, welcher aromatisch und zart war.
Danach teilten wir uns zwei Portionen Maki Sushi, die ersten seit wir in Japan unterwegs sind.
Der Dienstag war regnerisch. Wir brühten uns Kaffee im Zimmer, bevor wir nach unten gingen. Hene ging in die im zweiten Geschoss liegende Raucherbox, zu welcher man nur als Hotelgast mit der Schlüsselkarte Zutritt hatte. Die Box ist rund 6 Quadratmeter gross und hat mehrere Aschenbecher. Ich ging kurz mit rein, um die Lüftung zu prüfen. War ganz ok. In Japan raucht nach unseren Beobachtungen inzwischen auch eine grössere Mehrheit Ersatzprodukte, wie Erhitzer. Vapes habe ich bisher noch nie gesehen.
Vom zweiten Stock aus liess sich die Hotellobby gut überblicken. Hier wurde sehr grosszügig mit dem knappen Platz in der Stadt umgegangen.
Nach einem kleinen Frühstück im Café im Bahnhof mit einem feinen, kräftigen Espresso gingen wir zu Fuss in die Stadt.
In solchen Gassen findet man häufig «Izakaya-Restaurants», kleine oder gar kleinste Bars, in welchem Alkohol ausgeschenkt wird, aber eben auch immer mehr oder weniger Essen angeboten und konsumiert wird.
Wir besuchten das Hiroshima Castle, das wieder aufgebaut wurde. Der Eintritt war etwas teurer, als zB das Friedensmuseum. Immerhin mussten wir die Schuhe nicht ausziehen und die Treppen waren weniger steilt und griffig, so dass ich auch bis ins oberste Stockwerk hoch- und wieder runterstieg.
Das Castle bietet viel Informationen über die Geschichte Hiroshimas seit dem 13. Jahrhundert und die Kriege der verschiedenen Fürsten bis in die aktuelle Zeit. Dazu gibt es verschiedene Gegenstände, wie Rüstungen oder auch einen ganzen Stock voller kunstvoll geschmiedeter Schwerter aus verschiedenen Epochen.
Da es weiterhin ein grauer Tag blieb, beschlossen wir die Stimmung etwas im «MOFF Cat Café» aufzuhellen. Der Tarif ist zeitbasiert und man zieht sich natürlich die Schuhe aus und Slipper an. Die Katzen sind sehr schön gepflegt, es riecht bis auf wenige Stellen fast nicht, dafür hatten zwei der rund 20 Büsis auch kleine Windeln umgebunden! 🤨
Wenn es den Katzen zu viel wird, zischen sie durch Klappen in der hinteren Wand ab. Die meisten lagen aber schlafend oder mehr oder weniger lethargisch da und hielten auch nicht all zu viel von Streicheleinheiten. Wohl eine «Human overdose». Hene entdeckte dann, dass er bei einer Box mit Leckerli (pro Portion rund 2 Franken) die Klappe öffnen und schliessen konnte. Dieses Geräusch lockte die Katzen dann aus allen Ecken an. Tja, Fressen ist immer verlockend.
Wir sassen dann noch ein wenig im Gate Park herum und hofften, der Nieselregen lasse nach. Die Hoffnung war vergebens, es kam mal dichter, mal weniger dicht. Also gingen wir zur nächsten Tramstation und fuhren mit dem Tram zum Bahnhof.
Das Tramnetz ist relativ gross, aber die Trams haben keine Priorisierung und hötterlen also eher gemächlich durch die Stadt. Bezahlt wird, wie häufig hier, sehr divers. Einerseits kann man die Suica/Pasmo - Karte bzw. das Handy beim Einsteigen auflegen und beim Aussteigen an einem anderen Apparat wieder hinhalten. Aber es gibt bei den längeren Trams auch noch einen Schaffner, der ansagen macht und den Fahrgästen mit Bargeld hilft, den Automaten zu bedienen. Zudem hat es am Bahnhof auch noch einen Uniformierten, welcher rollbare Automaten jeweils zum entsprechenden Perron rollt, wo das nächste Tram ankommt. Also «alles ist möglich», aber auch immer ein wenig anders und teilweise eher umständlich. 🤷🏼♂️
Den Leuten und Trams am Bahnhof zuzuschauen, war auch sehr merkwürdig. Die Trams fahren je nach Typ auf verschiedenen Perrons ein und wenden dann, um zu einer Ausfahr-Haltestelle vorzuziehen, wo dann die neuen Fahrgäste wieder zusteigen. Alles ziemlich zentimetergenau auf engsten Raum.
Wir wollten danach im Dachgeschoss des Hotels nochmals ein Bier geniessen, aber man wies uns ab. Wir verstanden nicht ganz weshalb, aber dann gingen wir halt in die Lobby-Bar, welche noch offen hatte.
Danach wollten wir in der Stadt in ein «Okonomiyaki-Restaurant». Die ursprünglichen Restaurants kannte Hene von seiner damaligen Reise 2012. Wir fanden genau den Ort, aber die Restaurants im dritten Obergeschoss waren voller westlicher Touristen, welche Schulter an Schulter um die Teppanyaki-Grills sassen und den Angestellten beim Schichten der omelett-ähnlichen Speisen zusahen. Es herrschte natürlich auch ziemlich dicke Luft. Hene war sehr enttäuscht und wir verliessen den Ort umgehend.
Keine Ahnung, aber Japan scheint aktuell enorm beliebt bei spanischsprechenden Touristen zu sein. Die Westler fallen uns natürlich auf, aber noch mehr die, welche in kurzen Hosen oder grossflächig tätowiert herumliefen. Japans Wirtschaft ist zwar auch auf die Einnahmen aus dem Tourismus angewiesen, aber in der Bevölkerung ist die Stimmung aufgrund des Overtourismus zwischendurch auch mal etwas getrübt.
Wir fanden dann ein paarmal um die Ecke eine Treppe in das Obergeschoss eines Gebäudes. Dort war ein recht grosses Izakaya-Restaurant, in welchem wir die einzigen Westler waren und blieben. Wir durften an der Bar Platz nehmen, wobei wir erst zögerten. Aber der Entschluss war toll, so konnten wir den Köchen auf die Finger schauen. 😂
Wir bestellten, wie hier häufig, mehrere kleinere Häppchen, die man dann teilen kann. Da die Austern gerade so vor mir lagen, bestellte ich eine als Vorspeise. Sie war eher klein, aber schmeckte gut. Danach teilten wir uns einen assortierten Sashimi Teller. Ich hatte noch einen Fisch mit eher wenig daran (schon mal einen Fisch mit Stäbchen gegessen? 🤨), Hene hatte noch einen ziemlich käselastigen Kartoffelgratin und ein Rinds-Carpacio, von welchen ich auch etwas kostete.
Die Damen zu unserer Linken und Rechten hatten schon alle mindestens zwei grosse Biere gekippt, da liessen wir uns nicht lumpen und schlossen nach einem kleinen Glacé das ganze noch mit einem Fläschchen Sake ab.
Als wir ausgetrunken hatten, hatte die Küchencrew den Grill auch abgestellt und geputzt und das Restaurant leerte sich langsam. Aus dem hinteren Teil kamen viele Geschäftsleute, die dort gezecht hatten.
Wir kehrten zu Fuss zum Hotel zurück, um ein paar kleine Teile unseres netten Nachtessens «abzuverdienen».
Wie es weitergeht? Erfahrt Ihr wohl Morgen… wiederum mit viel leckerem Essen, Zugreise und anderen Ereignissen.