Yukon 2019, Denali Nationalpark

13. September 2019 - Lesezeit: 16 Minuten

Kantisna Experience Tour im Denali Nationalpark

Der Wecker klingelte brutal früh um 04:45 Uhr. In der Nacht vorher schliefen wir etwas unruhig, da recht viel Betrieb im Riley Creek Campground herrschte.

Ein Frühstück lag nicht wirklich drin. Schnell einen Pulverkaffee gebraut, während wir unsere Rucksäcke bepackten. Kleider in Schichten, inkl. Regenzeugs. 

Gemäss einer Reisebeschreibung sollte es einen kleinen «Lunch» geben, aber das reiche nirgends hin. Also strichen wir uns Sandwiches mit Käse und Schinken und packten diese zusammen mit Tee und Wasser ein. Die Äpfel, welche wir noch mitnehmen wollten, vergassen wir im Eifer des Gefechts.

Der Bus sollte um 06:05 ab dem Busdepot fahren. Gemäss Ticketverkaufsstelle sollten wir aber bereits um 5:45 Uhr dort sein. Also gingen wir um 5:25 Uhr mit Taschenlampen bewehrt in die kalte, stockdunkle Nacht.

Wir holten zügig aus und waren ziemlich genau um 5:35 Uhr am Busdepot, welches bereits geöffnet hatte und somit die Toiletten zugänglich waren.

Schilder mit den Bustouren beim Bus-Depot in der Morgendämmerung

Ausser uns waren nur zwei ältere Herren mit viel Fotoausrüstung da. Man verstand das Gemurmel aber nicht sehr gut.

Wir reihten uns mal an erster Position ein und nach und nach tauchten weitere Fahrgäste auf. Der Bus liess aber auf sich warten. Wir witzelten schon, ob der Fahrer wohl verschlafen habe oder ob ein Motorschaden uns einen Strich durch die Rechnung machen würde.

Mit den anderen Fahrgästen verglichen wir die Wetterprognosen und guckten uns den frühen Morgenhimmel an. Wolken, aber auch klare Abschnitte wechselten sich ab.

Gemäss der ursprünglichen Prognose von ein paar Tagen vorher, sollte es bewölkt sein. Aber die Strasse in den Denali Nationalpark, welche ab Meile 15 (ca Kilometer 25) nur mit den Tour-Bussen oder mit einer Spezialbewilligung befahren werden darf, ist insgesamt fast 150 Kilometer lang und führt durch verschiedene Klima- und Wetterzonen.

Endlich, um ca 6:15 Uhr fuhr der Bus der «Kantisna Experience Tour» vor. Der Busfahrer, Ryan, stellte sich kurz vor und hakte dann die Namen der Fahrgäste beim Einsteigen ab.

Ryan, unser Busfahrer auf seinem gut gefederten Sitz

Da wir so früh da waren, konnten wir uns die Sitze gleich rechts in der ersten Reihe ergattern. Der Fensterplatz meiner Reisebegleitung war zwar etwas eng. Denn dort hing noch der Feuerlöscher und ein Teil des Fussbereichs war wegen dem Radkasten kleiner. Aber so hatten wir nicht nur Aussicht nach rechts, sondern auch nach vorne. Und da die Sitze gleich hinter Ryan auch für Material reserviert war, hatten wir auch freie Sicht nach links! Jackpot!

Wir räumten die Lunchboxen, welche auf jedem Sitz lagen in die Gepäckablage. Es war eine kleine grüne Stofftasche mit Innenisolierung. Sie enthielt eine Wasserflasche, einen Apfel, einen kleinen Käsestick, Nussmischung, ein kleines Päckchen Oreo-Cookies und einen Müesli-Riegel. 

Während Ryan nun den Bus aus dem Depot lenkte, erklärte er uns ein paar Spielregeln. Wenn wer Tiere sieht, «Animal, Animal» rufen. Zudem die Position (als Uhrzeit, zum Beispiel rechts als drei Uhr) ansagen. Wenn er hält, dann kann man die Fenster öffnen. Aber keine Körperteile aus dem Bus, nur Objektive. Kein lautes Schwatzen und Rücksicht auf die anderen Fahrgäste, also diese auch mal zum Fotografieren kommen lassen.

Der Bus keuchte die ersten Steigungen hoch und Ryan informierte jeweils immer, wo wir waren. Wie hoch über Meer und so weiter. Nebenbei streute er jeweils ein paar Anekdoten ein und so war es nie langweilig, aber auch keine Dauerberieselung.

Und schon hallte der erste «Animal, Animal»-Ruf durch den Bus. Ryan bremste ab und wir konnten drei Karibus beobachten, welche sich vom Strassenrand gegen den Wald bewegten.

Karibus entlang der Strasse in den Denali Nationalpark

Der Bus hält alle ein- bis eineinhalb Stunden für Toilettenpausen. Diese sind meist gerade so passend mit zehn bis fünfzehn Minuten. Und so erreichten wir etwa um 7:45 Uhr den Teklanika Rest Stop bei Meile 30 und konnten das erste Mal aussteigen und uns die Beine vertreten. Hier wurden uns auch pro Person ein Wrap überreicht. Die Wahl, ob Truthahn oder Vegi, mussten wir am Anfang treffen.

Aussicht über den Teklanika River beim Rest Stop

Beim Einsteigen sollte man immer prüfen, ob man im richtigen Bus sitzt 😂

Ryan erklärte, dass er eigentlich sonst eher mit den grünen Shuttle-Bussen unterwegs sei. Die braunen Tour-Busse kenne er nicht so gut. Aber er lenkte das Fahrzeug mit viel Umsicht und souverän.

Tour-Busse mit verschiedenen Destinationen am Teklanika River Rest Stop

Über den Sable Pass ging es dann zum «Polychrome Overlook».

Unterwegs erschallte wieder der Ruf «Animal, Animal»! Diesmal war es eine Grizzly-Mutter mit ihren zwei Kleinen. Das Tele machte sich bezahlt.

Grizzlybärin mit ihren zwei Kleinen

Und gleich danach sah man weisse Punkte in den Berghängen. Dall Schafe sind so hoch oben, um ihren Jägern, den Bären und Wölfen zu entgehen. Sie nehmen ihren Wasserbedarf durch Lecken von Steinen und durch die Flechten und Gräser auf, so dass sie eigentlich nie in die Flusstäler herunter müssen. Das Foto ist etwas unscharf, da hätte ein grösseres Tele und ein Stativ herhalten müssen.

Dall-Schafe am Berghang

Hier beim «Polychrome Outlook» zeigen sich je nach Wetter die verschiedenen Farben der Gesteine und man hat einen tollen Ausblick über das rund 200 Meter tiefer liegende Flusstal.

Ryan erklärte uns, dass die Strasse hier aufgrund des langsam auftauenden Permafrost unter dauernder Beobachtung der Geologen sei. Man sah auch, dass hier grössere Erdbewegungen stattgefunden hatten und die Strasse nur provisorisch geflickt war.

Schmale Strasse vor dem Polychrome Overlook, der schwarze Strich ist das Busfenster

Auf dem Hinweg hielten wir nicht am «Polychrome Overlook» sondern fuhren direkt weiter hinunter ins nächste Tal.

Kurz nach 9 Uhr erreichten wir beim Toklat River den nächsten Rest Stop. Hier gab es etwas mehr Aufenthalt, unter anderem hat es hier auch einen kleinen Shop, der Souvenirs und auch Bücher, sowie Karten rund um den Denali Nationalpark vertrieb.

Toklat River Rastplatz, morgens kurz nach 9 Uhr

Gleich bei den Fernrohren lagen auch mächtige Elch- und Karibu-Geweihe herum. Die Gelegenheit, mal jemandem «Hörner aufzusetzen». 😇

Die abgebildeten Personen sind mir natürlich völlig unbekannt. 

Teilnehmer unserer Reisegruppe fotografieren sich mit einem Elchgeweih

Von hier aus sah man auch das zweite mal den Mount Denali, vorher nur ein kleines Spitzchen in den Wolken, hier nun recht klar. Wir waren wirklich glücklich, nachdem die Nacht bedeckt und die Prognose eher durchzogen war, den Berg so gut zu sehen.

Der mächtige Mount Denali, bis 2015 Mount McKinley genannt

Weiter ging es zum «Eielson Visitor Center», welches wir gegen 10:30 Uhr erreichten.

Es ist optisch sehr gut in die Landschaft eingebettet ist. Das Gebäude ist teilautark mit Solarpanels und verfügt über Ranger und Rangerinnen, welche Auskunft über die Gegend geben. Es hat auch Pelze von Tieren wie einem Vielfrass oder einem Hasen, bei welchen man das feine Haar selber fühlen kann.

Ausblick über die Landschaft vom Eielson Visitor Center

Leider sind die Wege ausserhalb des Visitor Centers abgesperrt. Hier haben junge Grizzlybären vor einiger Zeit einem Touristen den Rucksack abgejagt und wurden aufdringlich. Deshalb müssen die Menschen weichen, ansonsten müsste man die Bären töten, was niemand will.

Nun fuhren wir zum Wonderlake, wo uns Doris, eine Rangerin des US Nationalpark-Services begrüsste und zu uns in den Wagen stieg. Sie war den Sommer durch hier auf der Station und geht gegen Mitte September dann wieder zurück in die Zivilisation. Sie begleitete uns durch die letzte Etappe nach Kantishna.

Der Mount Denali, der höchste Gipfel Nordamerikas, mit einem Wolkenhut  

Doris war ein Goldschatz. Voller Begeisterung über die Pioniere und Pionierinnen, welche hier schon gelebt hatten, bevor ein Nationalpark aus dem Gebiet wurde. Sie erklärte uns vieles rund um die Pflanzen- und Tierwelt. Man kann zum Beispiel hier oben alle Beeren essen, wenn man nicht mit einem Bären darüber in Streit gerät! 🤣

Allerdings schmecken nicht alle gleich gut. Es hat Blaubeeren, Cranberries und noch weitere Sorten, die bei uns unbekannt sind.

Dann erreichten wir das Ende der Strasse bei der Meile 92.5.

Strassenschild am «End of the Road» der Strasse durch den Denali Nationalpark

Auf dem Weg zurück kamen wir am kleinen Flughafen der Kantishna Lodge vorbei. Die Versorgung per Lufttaxi ist hier deutlich einfacher, als mit einem Wagen.

Dann besuchten wir das Häuschen von «Fannie Quiegly». Die Frau stammte aus einer tschechischen Auswandererfamilie und hatte ihr Elternhaus in den Staaten unten und arbeitete als Köchin bei den Eisenbahnern. Sie sprach vorher kein einziges Wort englisch und so wurde ihre Sprache als ziemlich blumig beschrieben.

Als der Goldrausch im Yukon und in Alaska losging, gelangte sie in diese Gegend. Sie heiratete einen Joe Quigley und lebte mit ihm hier. Während er Gold suchte, wurde sie als gute Jägerin beschrieben, welche selber Elche erlegte, zerlegte und die Teile aus der Wildnis anschleppte. Die knapp 1.60 Meter grosse Frau war offenbar unglaublich zäh und lebenserfahren. Sie bereitete Kuchen aus Blaubeeren mit Schwarzbär-Fett zu, welche sie in ihrem Permafrost-Kühl-/Gefrierschrank aufbewahren konnte. Nachdem ihr Mann verunfallte und sie später verliess, blieb sie hier hinten in Kantishna ganz alleine und sorgte für sich selbst. Sie hatte einen Gemüsegarten mit Treibhaus und war offenbar sehr gastfreundlich. Sie starb mit 74 Jahren in ihrem Häuschen, vermutlich an einem Herzversagen.

Schild mit Erläuterungen über das Leben von Fannie Quigley

Ich vermute, Doris hätte gerne noch eine Stunde über diese erstaunliche Frau erzählt. Sie diente ihr sicher auch als Vorbild. Aber es ging langsam wieder zurück auf unserer Tour.

Beim Wonderlake verliess uns Doris, nicht ohne ausgiebig beklatscht zu werden. Geld durfte sie als Rangerin nicht annehmen, aber unsere Schweizer Schokolade nahm sie sichtlich gerührt entgegen. 

Ich könnte den Artikel noch ziemlich lange weiterschreiben, aber wir stehen hier in Tok, Alaska, auf dem Rückweg Richtung Kanada und meine Reisebegleitung verliert eventuell bald die Geduld.

Auf dem Weg zurück zum Campground sahen wir nochmals Elche, Karibus und Bären, welche am Fluss herumtollten. Es war ein wunderbarer Tag und das Wetter spielte voll mit.

Über

Limmattaler Aargauer seit 1996 in Bern lebend. Sich häufig fürchterlich über Nichtigkeiten aufregender Mensch. Glaube manchmal trotzdem noch an das Gute. In der IT arbeitender Bähnler, der hier völlig private Meinungen von sich gibt.