Herbstferien mit Hene, Nagoya und Hakone (日本2024)

2. November 2024 - Lesezeit: 10 Minuten

Nagoya 

In Nagoya standen wir relativ schnell völlig verloren in der grossen Haupthalle und umringt von wirklich sehr vielen Leuten. Es dauerte einen Moment, bis wir die gelbe «Higashiyama Linie» fanden. In der U-Bahnstation war es sehr heiss und das Perron war praktisch voll. Wir gingen etwas weiter nach vorne, wo es weniger Leute hatte und standen an. Nach kurzer Zeit stand hinter uns eine Frau mit Apple AirPods Max und Maske, sie begann auf uns einzuschwatzen und deutete herum. Leider konnte sie kein englisch oder wollte nicht. Es dauerte einen Moment, bis wir bemerkten, dass wir für die Frauensektion anstanden. 😬 Die U-Bahn Nagoya hat Mo-Fr mehrere Wagen ausschliesslich für Frauen reserviert.

Von der U-Bahnstation gingen wir unterirdisch ein recht grosses Stück in Richtung Hotel. Dort unten war es aber sehr warm und stickig. Danach waren es noch 10-15 Minuten zu Fuss bis zum Hotel bei leichtem Nieselregen. Wir waren etwas zu früh und ich war froh, in der Lobby ein wenig Hinsitzen und abkühlen zu können.

Das Hotelzimmer war mit 160 Franken pro Nacht recht günstig und war auch geräumig. Zudem gab es Frühstück inklusive. Andererseits war der Ausblick aus dem Fenster nicht wirklich berauschend.

Blick aus dem Hotelzimmer, man sieht Rohre und Aggregate, dahinter die Wand

Wir zogen ein wenig um die Gegend und bemerkten, dass wir mal wieder im Ausgangsbezirk mit vielen Izakayas gelandet waren. Einige Bars in höheren Stockwerken waren mit Gentleman's Club oder ähnlichen Bezeichnungen versehen. Als Gentlemen fragten wir nicht und gingen weiter.

In einer Seitengasse suchten wir nach einem Café und fanden erst nur eine nette Bäckerei, die aber keine Sitzgelegenheiten bot. Danach orteten wir ein kleines Restaurant, das neben weiteren Dingen auch Pancakes mit Früchten hatte. Es dauerte eine Ewigkeit, den Einsatz einer Kenwood Küchenmaschine und der Espresso bzw. Latte wurde erst hinterher geliefert. Aber meine Portion mit zwei Pancakes war fast drei Zentimeter hoch und die Pancakes waren «fluffiest ever». Keine Ahnung, wie die Bedienung die hergestellt hat. 🥰

Ein Teller mit zwei dicken Pancakes mit Schlagsahne und Erdbeeren

Später landeten wir noch in einer Bar voller Jugendlicher, in welcher sogar noch geraucht werden durfte. Wir hatten echt Mühe, der Bedienung unseren Wunsch nach einer Portion Pommes, welche auf der Karte war, zu erklären. Zudem gab es bei jedem Neuzutritt in die Bar ein lautes Gejubel und Herumrufen. Das könnte allerdings auch die Bestellung gewesen sein.

Pancakes und Snacks hatten uns so gesättigt, dass wir gar kein Nachtessen mehr mochten.

Die Nacht war dann etwas ätzend, denn die Aggregate vor dem Fenster brummten die ganze Nacht. Ich hatte mal nachgemessen, mit rund 42 Dezibel war es zwar nicht laut, aber das Zimmer/Gebäude vibrierte, so dass man es im Bett noch spürte.

Da das Geräusch aber gleichbleibend und eher tieffrequent war, konnte man sich irgendwann dran gewöhnen und trotzdem einschlafen.

SCMaglev and Railway Park Nagoya

Der Samstag begann regnerisch und es wurde eher noch schlimmer. Das Hotelfrühstück war ein Buffet mit mit dreierlei verschiedenen Suppen, Salaten und Tomaten. Aber auch ein wenig Müesli und Croissant oder Brötchen.

Wir nahmen diesmal die U-Bahn ab der Haltestelle Sakae. Obwohl der Tag kühl war und eher kühler wurde, war es in der U-Bahnstation immer noch drückend heiss/schwül. Immerhin ist die U-Bahn selbst gut klimatisiert. Am Bahnhof wollten wir für Hene noch Tickets für den Sonntag nach Odawara kaufen, aber irgendwie war der Automat schlecht gelaunt, oder wir.

Danach fuhren wir mit der Aonami Line in rund 25 Minuten runter zum SCMaglev and Railway Park. Schon in der S-Bahn hatte es Familien mit Kindern, da dort unten auch ein Legoland Japan ist. Zum Glück kann man einigermassen im Trockenen vom Bahnhof zum Museum.

Im Museum hatte es wirklich viele Kinder, wir wunderten uns ab den Kleinsten. Aber ev. sind Japaner schon ab Geburt bahnbegeistert. 😉

Grosse Halle der Eisenbahnfahrzeuge von 1910 bis 2024

Die Ausstellung ist wirklich sehr umfassend mit alten Fahrzeugen, vielen Schautafeln, Video-Installationen, einem Shinkansen Fahrsimulator und vielem mehr.

In diesem Speisewagen des 100er Shinkansen, wo die Küche im Untergeschoss arbeiteten und es einen separaten Gang für die Reisenden gab, die zirkulierten, wäre ich gerne mitgefahren damals.

Speisewagen der 100-Serie Shinkansen (ca 1975)

Viele technische Informationen waren auch verfügbar, vom Stromabnehmer über die Weichen, sogar alte Terminals des MARS (Online Ticket-Reservierungssystem Japans) waren ausgestellt.

Kursbuch Japan

Irgendwann hatten wir aber genügend kleine Kinder gesehen, die vor dem Dr. Yellow Schlange standen oder quengelten und fuhren zurück nach Nagoya.

Hene hatte für den Sonntag versucht, ein Ticket nach Odawara in Navitime (App) zu kaufen. Er erhielt eine Mail, dass das Ticket separat ausgestellt würde, aber diese Mail kam nie an.

Wir gingen zu Fuss zum Hotel zurück und genossen das Ende des Regens und das aufklarende Wetter. Der Bahnhof mit seinen hohen Türmen war oben noch im Nebel gefangen.

Nagoya Station, das höchste Bahnhofsgebäude der Welt mit zwei hohen Türmen und weiteren Hochhäusern dahinter

Unterwegs meinten wir, es begänne wieder zu regnen. Aber es waren nur vom Wind von den Hochhäusern und Bau-Netzen heruntergeschüttelte Tropfen.

Im Hotel fand Hene dann heraus, dass hinter der Navitime Buchungsseite wohl ein manueller Prozess steckt und Navitime am Wochenende gar nicht bedient war. Boing!

Wir wollten nun mit der U-Bahn nochmals zum Bahnhof, um dort noch einmal unser Glück am Automaten zu versuchen. Aber erst hatten wir ein Erlebnis mit der U-Bahn. Denn die Zahlstation wollte unsere Suica-Karten nicht mehr akzeptieren. Wir waren der Meinung, korrekt in Nagoya ausgecheckt zu haben. Der Bedienstete am Schalter sprach nur japanisch und buchte uns einfach kommentarlos aus, was trotzdem 210 Yen (rund 1.50 Franken) kostete. Eh, das konnten wir uns leisten.

Am Bahnhof gelang dann die Buchung für Hene und wir machten auch gleich eine weitere Buchung nach Shinagawa für Mittwoch, wenn wir zurück nach Tokio fahren. Diesmal für uns Beide, denn mein Japan-Railpass läuft am 3. November auch ab. Diesmal klappte es (vermeintlich) zu einem erst noch sehr günstigen Tarif.

Wir fuhren mit der U-Bahn zurück und bewunderten noch ein wenig die nächtlichen Lichter unter klarem Himmel.

Der Mirai-Tower bei Nacht. Erstrahl von Lichtern und mit einem Leuchtschrift-Laufband.

Das Nachtessen gab es dann bei einem kleinen Chinesen gleich um die Ecke beim Hotel. Es war preisgünstig, mehr als genügend und schmeckte wie immer… lecker!

Fahrt nach Hakone

Der Sonntag begann in Nagoya als Gegenstück des Samstags, die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel, als wir uns vom Hotel zur Haltestelle Sakae begaben. Die U-Bahn ist grundsätzlich barrierefrei, allerdings sind die meisten Zugänge teilweise steile Treppen. Mit Glück findet man auch eine Rolltreppe, was uns mit der Roll-Tasche bzw. Koffer entgegenkäm

Hochhaus und Bäume entlang der Strasse unter blauestem Himmel

Wie erwartet, waren wir etwas zu früh am Bahnhof und Hene tigerte noch ein wenig herum auf der Suche nach einem geeigneten Motiv. Eine Motorrad-Truppe mit äusserst lautstarken Halbstarken und seltsam geformten Knatterlingen wurde gefilmt. Wir machten uns dann auf den Weg und gingen durch durch die Bahnsteigsperre. Mein Japan-Railpass wurde problemlos akzeptiert. Aber Henes Ticket nicht. Die Aufsichtsperson erklärte etwas und er ging weg. 

Ich wartete kurz und dachte dann, der kommt schon noch. Und sonst fahren viele Züge nach Odarawa. Nach ein paar Minuten erschien er aber oben dem Abfahrtsbahnsteig beim Halteort des Wagens 15. Offenbar hatten wir am Vorabend nur gerade den Expresszuschlag und die Reservation gekauft. Das Grundticket muss aber separat erworben werden. Wieder etwas gelernt.

In unserem Wagen waren etwa 95% ausländische Touristen und natürlich gab es ein grosses Raunen, als wir kurz vor Odawara durch die Ebene fuhren, von wo man den Fuji-San sah. Leider ist es dieses Jahr so warm, dass auch Anfang November noch immer kein Schnee auf seinem Gipfel liegt.

In Odawara hiess es vom Shinkansen auf den Zubringer-Regionalzug nach Hakodate umsteigen. Der Bahnhof wimmelte von Ausländern und angesichts der kurzbehosten, grosse Rucksäcke auf dem Rücken tragenden, mit übler Körperbemalung versehenen Menschen taten mir alle Japaner und Japanerinnen sehr leid. In Japan gelten Tattoos in weiten Kreisen immer noch als verpönt, obwohl seit 2017 eine Empfehlung der Regierung verbreitet wurde, man solle diesen Ausländern doch trotzdem den Zutritt zu den Onsen erlauben.

Wir kauften einen Zweitages-Pass «Hakone Freepass», der nicht nur für die Bahn nach Hakone berechtigt, sondern auch auch auf anderen Bahnen, Bussen und Seilbahnen gilt.

Wir unterhielten uns auf dem Bahnsteig in Odarawa noch mit einem japanischen Paar, welches sehr gut (und auch verständlich) englisch sprach. Er erkannte das Logo auf meiner Umhängetasche und uns somit als Schweizer.

Das Bähnchen tuckerte dann in rund 17 Minuten durch das immer schmaler werdende Tal und entlang einer grauenhaft verstopften Strasse nach Hakone. Der Grund für den Stau wurde uns dann klar, als wir aus dem Bahnhof kamen und das Städtchen hoch gingen. Heute war der 71. Hakone Daimyo Umzug. Da waren traditionell gekleidete Fürsten, die «Hojo Gunners» (die wir nur hörten) und adrett gekleidete und frisierte Frauen mit Gesang und Musik zu hören.

Umzug mit traditionell gekleideten, den Leuten zuwinkenden Japanerinnen

Wir kamen etwas zu früh zu unserer Unterkunft, einem traditionellen Ryokan (welcher zu einem daneben liegenden Hotel gehört). Wir wurden von einer Receptionistin vom Empfang zum Pavillon begleitet und ausführlichst informiert. Danach kam noch eine ältere Hausdame, welche uns Yukata, Pyjamas und Badetücher brachte. Sie servierte uns auch Grüntee und eine Süssigkeit. Meinen Körperumfang stellte sie ein wenig vor Herausforderungen, aber sie schaffte für «Big Papa», wie sie mich fortan nannte, passende Kleider herbei. 😂

Korbstühle und -tisch mit schön besticktem Tüchlein im Wintergarten

Nachdem wir eingerichtet waren, gingen wir ein wenig durch das Städtchen und landeten abseits der Touristenströmen in einem Izakay. Die vier älteren Herren, welche auf den Tatami sassen und schon in einer angeregten Diskussion waren, blickten auf und wollten uns erst noch bei sich Platz machen. Aber wir bevorzugten die Tischreihe hinten. Es hatte insgesamt nicht mehr als 16 Plätze im ganzen Restaurant. Der Senior, welcher bediente, ging gebückt und hinkte stark. Seine Frau kochte und eine weitere, jüngere Frau half mit. Wir waren die einzigen Westler und als wir nach rund einer Dreiviertelstunde gingen, waren wir offenbar eine Attraktion. Denn man bedankte sich männiglich und ausschweifend, einer der Männer am Tisch auf den Tatami drückte mir sogar die Hand. Hene hatte noch einen Dank und Gruss via Translator-App erfasst, was grosse Begeisterung auslöste.

Das Nachtessen gab es etwas weiter oben nahe beim Hotel. Es wurde von einer älteren Frau geführt, ihr Mann kochte und vermutlich die Tochter servierte. Es gab ein japanisches Curry, welches im heissen Topf noch brodelnd serviert wurde. Japanisches Curry riecht ähnlich wie indisches Curry, es ist aber dunkelbraun und etwas süsslich.

Auf die Frage, ob das «Apple Cinnamon Beer» eher süsslich sei, reagierte die Bedienung nervös und unsicher. Hene versuchte sich an der Translator-App und sie sprach dann einen ganzen Satz ins Handy. Sie sei noch minderjährig und dürfe keinen Alkohol trinken, sie wisse es nicht. Sie lief dann zur Besitzerin und liess sich bestätigen, dass es eher nicht «sweet» sei. Wir bestellten das Bier von der «Sankt Gallen Brewery» und fanden es auch nicht süss, aber irgendwie doch auch ein wenig merkwürdig.

Ein gedeckter Tisch, in metallenen Töpfen ist Gemüse in Curry. Auf dem Teller liegt frittiertes Fleisch und eingelegte Pickles

Bevor die Besitzerin abräumte, meinte sie noch, sie wisse schon, wer ich sei. In einem Monat käme ich sie besuchen, ich sei nämlich der Santa Claus… mein Bart macht hier wirklich Eindruck. 🤣

Nachdem wir zu unserer Unterkunft zurückgekehrt waren, ging Hene in den Onsen, ich schrieb noch am Artikel hier und folgte später. Während er schon auf dem Futon liegt, sitze ich noch hier und schreibe weiter.

Wir fahren am Dienstag weiter nach Shinagawa/Tokio und erreichen damit wieder die Ausgangsposition womit Ende Woche unsere Reise endet. Ich nehme an, ich kann mich noch einmal zu einem Beitrag aufraffen. Gegen Ende Ferien fällt es mir jeweils immer schwerer, da so viele Eindrücke gespeichert und sortiert werden müssen.

Über

Limmattaler Aargauer seit 1996 in Bern lebend. Sich häufig fürchterlich über Nichtigkeiten aufregender Mensch. Glaube manchmal trotzdem noch an das Gute. In der IT arbeitender Bähnler, der hier völlig private Meinungen von sich gibt.