Platz da!

Also letzthin habe ich doch der Karin etwas versprochen… Am Anfang stand ein Tweet 

Kurz vorher hatte sich ein Zugsreisender darüber beschwert, dass er zur Hauptverkehrszeit von einer Gruppe mit Reservation vertrieben worden sei. 

Zeit, das Thema kurz auszuleuchten.

Arten von Reservationen

Wir unterscheiden Einzelplatzreservationen und Gruppenreservationen. Einzelplatzreservationen gibt es im innerschweizerischen Verkehr noch nicht sehr lange (gut, inzwischen wohl auch schon 20 Jahre oder so?).

Gruppenreisen

Gruppenreisen werden im SBB System PLABE verwaltet und dienen der Lenkung von Gruppen ab 10 Personen. Damit versucht man zu verhindern, dass Züge überlaufen. Gleichzeitig kann man die Anschlüsse besser sicherstellen oder Ersatztransporte organisieren. Als Züge noch häufiger mit Einzelwagen (anstelle mit Pendelzügen) geführt wurden, wurden an Grossreisetagen oder bei grossen Gruppen manchmal sogar Verstärkungswagen an gewisse Züge angehängt. Ein Verstärkungs«päckli» von einem Steuer- und zwei Reisezugswagen gibt es zwar immer noch, sind aber sehr aufwändig einzusetzen. Die reservierten Wagen oder Abteile werden (wo möglich) an den Wagenfenstern mit A4-Klebezetteln markiert (jeweils eines in Fahrrichtung links und rechts).

Einzelplatzreservation

Im innerschweizerischen Fernverkehr können seit einiger Zeit Plätze für Einzelreisende reserviert werden. Dies jedoch jeweils nur in einem Wagen der ersten und der zweiten Klasse. Früher waren das die Wagen 11 (1. Klasse) und 21 (2. Klasse). In allen anderen Wagen sind keine Reservationen möglich.

In den genannten Wagen gibt es ein Abteil (4+2 Plätze in der ersten Klasse und 4+4 Plätze in der zweiten Klasse), welches für die sogenannten Expressreservationen vorgesehen ist. Diese Plätze sollten mit Dauerzetteln bezeichnet sein. Beispiel aus einem Tweet von Fabio Zappa.

Dieses System ist dem Umstand geschuldet, dass Reservationen über zB die SBB App bis zum Zeitpunkt der Abfahrt des Zuges möglich sind. Da ist eine separate Bezettelung nicht mehr möglich. Das sind also sozusagen «Schrödingers Sitzplätze». Sie sind so lange frei, bis jemand kommt und mit einer Reservation seinen Anspruch erhebt.

Die übrigen Plätze haben einen «Reservationsschluss» vom Vorabend. Pro Zug und Wagen werden die gelben Reservationszettel an den Zugsausgangsbahnhöfen (d.h. für Reservationen von Bern ab 18:02 nach Zürich HB in Brig) ausgedruckt und von einer Person der «Zugvorbereitung» bei den Plätzen angebracht.

Ach ja, und die Platzreservation kostet 5.00 Franken pro Platz. Also meines Erachtens wohl keine Option für Pendler, welche jeden Tag die selbe Strecke mit möglichst dem selben Zug reisen… Dachte ich, die Kollegin C.P. belehrte mich eines besseren. Sie hätte da eine Person in der Ostschweiz, die sich diesen «Spass» leiste!

Geht es mal schief?

Klar… Leider. Was schiefgehen kann, geht auch mal schief. Möglichkeiten:

  • Böswilligkeit.
    Vandalen gibt es überall, also auch bei Reisenden. Zettel können einfach herausgenommen, weggeworfen werden.
  • Fehler
    Das Bezetteln geht vergessen (Personalmangel, Durcheinander wegen Störungen etc.)
  • Fahrplanprobleme
    Der Zug kommt zu knapp zum Bezetteln an. Eventuell muss eine Zugskomposition sogar vorzeitig gewendet werden und kommt gar nicht zum ursprünglichen Zugsausgangsbahnhof.
  • Geändertes Material
    Eine Zugskomposition musste kurzfristig ersetzt werden. Das Ersatzmaterial hat nicht das selbe Layout (Anzahl Plätze/Nummern).
  • IT-/Druckerstörung
    Gibt es ja nie ;-)

Grenzüberschreitender Verkehr

In Zügen, welche aus der Schweiz ins Ausland fahren (zB ICE Berner Oberland - Basel - Deutschland) oder umgekehrt, können Plätze im ganzen Zug reserviert werden. Sonst gilt das oben Geschriebene weiterhin.

Zettel drucken ist doch out?

Was man im Ausland teilweise sogar mehrheitlich sieht, ist die elektronische Anzeige der Platzreservation. Anfänglich (zB im ICE 1 bis vor einiger Zeit) wurden die Daten per Diskette (!) in den Bordrechner geladen. Heute könnte man das über eine entsprechende Fahrzeugplattform direkt einspielen.

Aufgrund der tiefen Reservationsrate in der Schweiz lohnte sich bisher eine entsprechende Ausrüstung der Schweizer Züge mit elektronischer Anzeige nicht. Wenn meine Informationen korrekt sind, werden die in den nächsten Jahren erwarteten Fernverkehr Doppelstockzug (Bombardier) und der Stadler BeNe Fernvverkehrszug mit elektronischen Anzeigen für die Platzreservierung ausgerüstet.

History

Meine erste Berührung mit Platzreservierungssystemen war vor etlicher Zeit, also vor Jahrzehnten :-)

Einzelplatzreservation für Sitzplätze, Liegewagen (Couchette genannt) und Schlafwagen waren nur auf Zügen einer gewisse Klasse (IC, EC, etc.) und im grenzüberschreitenden Verkehr möglich.

Damals musste ich dem nächstgrösseren Bahnhof, Baden, anrufen und meine Reservationswünsche mündlich durchgeben. Datum, Zugnummer, Strecke, Platzwunsch (Raucher!, Nichtraucher, Fenster, Gang, Oben, Unten etc.) und natürlich die Anzahl Plätze. Der Kollege in Baden notierte sich das, übertrug es mit einem Bleistift auf eine Markierungskarte und legte diesen in den Leser des Platzreservationspults (eine Art Telex). Damit wurde dann der Mainframe angewählt und die Daten übermittelt. Die Antwort wurde dann auf eine Platzreservationskarte gedruckt und mir zugesandt oder von Hand auf eine Reservationskarte übertragen.

Die Systeme von SBB (EPR) und DB (EPA) basieren im übrigen auf uralter Technologie (SBB Mainframe und COBOL, DB auf HP NonStop), der im Laufe der Jahre nur marginal angepasst wurde und das End of Life wohl demnächst erreicht haben. Entsprechende Pläne für die Ablösung/Erneuerung sind in der Pipeline.

Fehler im Artikel? Verbesserungsvorschlag? Gerne per Kommentar, Tweet oder Mail.

Urs Montag 18 Mai 2015 - 8:12 pm | | default
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drei Kommentare

@duuderino
@duuderino, - 19-05-’15 07:33
theswiss
theswiss, - 19-05-’15 09:51
Ursli himself
Ursli himself, (URL) - 19-05-’15 12:57
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