Sauerteigzucht und -pflege
Ich will weiss Gott nicht ein weiteres Kompendium zum Sauerteig schreiben, dazu gibt es viel kompetentere Leute, Bücher und Blogs. Allerdings ist mir via Twitter ein Artikel im Blog «Trüffelschwein» zugeflogen, der zeigt, dass offenbar noch viele Halbwahrheiten und nicht immer passende Hausrezepte dargeboten werden.
Deshalb kurz, wie ich mit meinem Sauerteig umgehe.
Sauerteig, was ist denn das
Kurz, siehe Wikipedia Und sonst, wilde Hefen, Essigsäure- und Milchsäurebaktieren… ein ganz schöner Zoo, den ich gerne mal unter dem Mikroskop ansähe.
Teigausbeute
Ich setze bei meinem Sauerteig immer auf eine TA von 100, sprich eine Einheit Mehl, eine Einheit Wasser. Das einfach, weil ich zu bequem bin, spezielle Formen auszuprobieren und auch, weil es sich dann später beim Zubereiten des Teig einfacher rechnen lässt.
Erstzucht
Wer wirklich eine Erstzucht probieren will, braucht Geduld und sonst gibt es sicher genug Hobbybäcker, die einem gerne etwas Anstellgut überlassen. Ich kannte niemanden deshalb:
- Sauberes, relativ weites Gefäss. Ob Glas, Plastik oder glasierte Keramik ist egal. Habe ich schon gesagt, dass es sauber sein soll? Sehr sauber…
- Starten mit zB 50g Mehl und 50g Wasser.
- An einen warmen (ca 26-28°C) Platz stellen (zB Fensterbrett).
- Wichtig: abgedeckt, damit Kondenswasser zurückfliesst und der Teig nicht austrocknet, aber nicht luftdicht, da der Sauerteig Sauerstoff braucht (mind. in der aktuellen Phase).
- Nach 12h kurz kräftig umrühren.
- Nach weiteren 12h nochmals mit der selben Menge Mehl und Wasser füttern… und so weiter.
- Nach rund drei Tagen sollte die Masse Blasen bilden und beginnen zu riechen. Grämt Euch nicht, wenn der Geruch Eure Nase beleidigt. Mein Roggensauerteig roch anfänglich wie frisch geko…
- Falls der Sauerteig jedoch Schimmel entwickelt oder extrem stark nach Essig riecht, dann fort damit.
- Je nach Mehl und Umgebung (Naturhefebesatz) gelingt das schneller oder fast gar nicht.
- Bleibt der Sauerteig stabil, ist er nach insgesamt 4-5 Tagen einsatzreif zur Verarbeitung.
- Einen Rest (40-80g) in einem sauberen, mit kaltem Wasser ausgespülten Glas mit leicht aufgesetztem Deckel in den Kühlschrank geben.
Der Tod des Sauerteigs
Seid gewarnt, Eurem Sauerteig drohen Gefahren
- Jufli-Gefahr: in der Hitze des Gefechts verarbeitet man irrtümlicherweise den ganzen Sauerteig und merkt erst am Schluss, dass das Gläschen leer ist (auch schon passiert).
- Hitze-Gefahr: irgendwo ist noch ein Ofen oder eine Herdplatte an und der Sauerteig bekommt zu heiss. Ab 40°C beginnen die Hefen im Teig abzusterben.
- Kälte-Gefahr: man bekommt den Tipp, den Sauerteig in der Abwesenheit doch einfach einzufrieren. Sehr schlecht, die Hefen werden beim Gefrieren zerstört. Den Teig kann man zwar noch brauchen, jedoch nur noch, um Aroma in ein Brot zu bringen.
- Hefe-Gefahr: tönt schizophren, ist aber so. Backhefe ist so hochgezüchtet, dass sie einen natürlichen Sauerteig umbringen wird. Also erst mischen, wenn man das Gläschen Anstellgut in Sicherheit gebracht hat.
- Hunger-Gefahr: der Sauerteig muss regelmässig gefüttert werden, sonst stirbt er den Hungertod. Die Empfehlung ist eine wöchentliche Fütterung. Mein Sauerteig überlebt aber gut drei Wochen im Kühlschrank.
- Bakterien-Befall: ist mir noch nie passiert. Aber es könnte sein, dass ein Sauerteig, vielleicht einer, der schon etwas schwach ist oder noch ganz neu, von Fremd-Bakterien oder Schimmel befallen wird. Dann fort damit, das Gläschen peinlich sauber auswaschen und nochmals probieren.
Fütterung
Ich habe zwei Vorgehenvorschläge dazu.
Brot backen
Dazu nehme ich rund 40g des Anstellguts aus dem Kühlschrank und ergänze es mit 60g Wasser und 60g Mehl. Das ganze Verrühren und bei rund 26-28°C während rund 8 Stunden abgedeckt stehen lassen. Danach wiederum mit 60g Wasser und 60g Mehl ergänzen, verrühren und nochmals 8 Stunden bei rund 22-24°C abgedeckt stehen lassen. Zum Schluss nochmals mit der gleichen Menge Mehl/Wasser ergänzen und bei rund 18°C während 4 Stunden abgedeckt gehen lassen. Vom fertigen Sauerteig nun wieder einen Rest als Anstellgut in den Kühlschrank stellen.
Auffrischen
Beim Auffrischen nehme ich das Gläschen mit dem Anstellgut aus dem Kühlschrank. Falls das Gläschen zu voll ist, entsorge ich einen Teil davon. Dann fülle ich zwei Esslöffel Wasser und zwei Esslöffel Mehl hinzu, verrühre das ganze gut und stelle es abgedeckt für rund 8 Stunden bei Zimmertemperatur zur Seite. Sobald das Anstellgut die höchste Aktivität (Blasen) abgeschlossen hat, geht es wieder in den Kühlschrank.
Beim Roggenvollkorn ist es so, dass man es von oben nicht wirklich sieht, ob etwas abgeht. Bei 100 TA ist bei meinem Mehl die Masse zu zäh, um an der Oberfläche Blasen zu werfen.
Also unten hinschauen, hier sollte sich was tun.
Backup
Nachdem ich oben ja die Gefahren, welche einem Sauerteig drohen können, so schön beschrieben habe, gehört sich ein Backup also absolut. Meine bevorzugte Methode heisst «Vertrocken». Dazu bestreiche ich Backtrennappier mit einer dünnen Schicht frischem Sauerteig und lasse ihn an der Luft vollständig eintrocknen.
Danach zerbröseln, mörsern oder wie auch immer zerkleinern und in Einmachgläsern «luftdicht» (ja, diesmal) wegstellen.
Restore
Es lohn sich immer, einen Backup mit einem Restore zu testen. Das Trockengut benötigt ev etwas Zeit, ganz sicher genügend Wärme (rund 28-30°C) und natürlich Wasser und frisches Mehl. Hat bei mir bei allen drei Sauerteigsorten hervorragend geklappt.
Sauerteigguru?
Ja, den gibt es. Er heisst Martin - Pöt - Stoldt und hat das Buch «Der Sauerteig – Das unbekannte Wesen» geschrieben. Unbedingt lesen, kaufen und so. Als e-Book bei Amazon fast geschenkt.