Frinsch Benefit, kännsch?

Heute morgen habe ich im Radio (SRF3) gehört, dass die «Sonntagszeitung» (Haus Tamedia) einen Artikel herausgebracht hat, in welchem das Thema «Fahrvergünstigungen» bzw. «Gratis-GA» bei Angestellten im ÖV (und auch gewisser Nebenbetriebe) aufgebracht wird.

Der Artikel ist nun auf der Webseite des Bund hinter der PayWall abrufbar.

Wer hier manchmal mitliest, hat vielleicht erfahren, dass der Autor schon seit ein paar Jahren bei einem der genannten Betriebe arbeitet und deshalb nun einen Blick zurück wagt.

Wie es bei mir begann

Im selben Monat als der Ajatollah Chomeini die «Islamische Republik Iran» ausrief, fuhr der junge Ursli das erste Mal als Angestellter (Lehrling) der grössen öffentlichen Transportunternehmung der CH mit dem Zug ins Ausbildungslager nach Magliaso. Im Hosensack bzw. Portemonnaie hatte ich dabei nicht ein halbes Billett (ja, ich war damals noch nicht mal sechzehn Jahre alt), sondern einen «Freifahrschein», welcher mich berechtigte, von meinem Wohnort nach Magliaso und zurück in zweiter Klasse zu reisen. 

Natürlich in Privatkleidern, denn eine Uniform bekam der «Stationslehrling» erst später. Wenn ich mich richtig erinnere, gab es nach sechs Monaten drei dieser hellblauen, kratzigen Uniform-Hemden. Da man damit nicht auskommt, hatte ich aus dem Lehrlingslohn weitere drei Stück kostenpflichtig bei der Abteilung Dienstkleider erstanden. Zu Beginn des zweiten Lehrjahres durfte ich dann aus weiteren Uniformteilen auswählen und hatte so auch Hosen und Tschopen. Weitere Beschaffungen musste man dann aus den «Dienstkleiderpunkten», welche man jedes Jahr bekam, zusammensparen.

Aber zurück zum Thema… Fringe Benefit hiessen die Fahrvergünstigungen damals noch nicht. Sie wurden uns immer als «Lohnbestandteil» verkauft. Sie waren im Tarif 639 festgelegt. Der Personalausweis berechtigte zum Bezug dieser Fahrausweise. Der Ausweis bzw. die Billette wurden auch als «BB» (für Beamtenbillett) bezeichnet.

Der Rabatt betrug damals auf Einzelbillette 75%. Auf Streckenabonnementen war der Rabatt 66%, wobei so ein Abo nur für die Ausbildung (der Kinder) oder regelmässige Fahrten ohne beruftlichen Zweck erhältlich war (d.h. die Ehefrau oder der Ehemann der Angestellten erhielt keinen Rabatt auf ein Streckenabonnement zur Arbeit).

Für Ferienreisen oder Ausflüge erhielten die Angestellten abgestuft nach Lohnklasse in zweiter oder in erster Klasse Tageskarten. Es gab 24 Stück davon, wovon der grösste Teil nur auf dem Netz der SBB gültig waren. Ein paar Stück waren auch auf dem Netz der Privatbahnen (Südostbahn, Rhätische Bahn, BLS etc.) gültig. Vier Stück davon waren sehr exklusiv und berechtigten zur Fahrt mit der Furka Oberalp-Bahn (FO, heute MGB), der Jungfraubahn aufs Joch oder ähnlicher touristischer Bergbahnen. Nach einem Dienstjahr erhielt man auch internationale Freifahrscheine, welche pro Land vier zwei Tage gültige Datumsfelder aufweisen.

Die Tageskarten waren jeweils spezifisch für die verschiedenen Bahnen. So hatten die Mitarbeitenden der Jungfraubahnen als Beispiel mehr Tageskarten für andere touristische Bahnen, als die Mitarbeitenden der SBB.

Für Dienstreisen gab es vielfältige «Freikarten». Das waren:

  1. Die Dienstfahrkarte (DfK) Wohnort - Dienstort/Schule.
  2. Der Freifahrschein als Einzelbillett.
  3. Die Dienstfahrkarte für Regionen für Ablöser.
  4. Eventuell weitere, aber hey, das ist doch recht lange her! ;-)

Mit der 1. (DfK) durfte ich also von Turgi (=Wohnort) nach Würenlos (1. Lehrjahr) oder nach Zürich Seebach (2. Lehrjahr) fahren. Ebenso nach Zürich Enge, da ich dort meine Ausbildungstage hatte. Dies galt aber nur «für den direkten Weg». Als ich einmal nach der Schule mit einem Kollegen noch im Ausgang in Zürich war und erst um 21 Uhr auf dem Heimweg war, wurde ich vom gestrengen Herr Zugführer prüfend angeblickt und gefragt, ob ich wirklich auf einer Dienstreise sei!

Übrigens musste man damals als «Beamter» (nach der Lehre) grundsätzlich am selben Ort wohnen, wo man arbeitete (Wohnortspflicht). Über ein Gesuch an die Kreisdirektion konnte man sich in Ausnahmefällen mit Begründung von dieser Pflicht befreien.

Durften wir mal an einen Ausbildungstag nach St. Gallen oder Bern fahren, so musste ich einen «Bestellschein für freie Fahrt zu dienstlichen Zwecken» ausfüllen und an einen der nächsten grösseren Bahnhöfe senden, welche einen Billetblock solcher Fahrscheine hatte. Dort wurde dann der Freifahrschein mit Kugelschreiber in Original und Durchschrift (Kohle-/Graphitpapier) erstellt. Die Bestellscheine wurden abgelegt und archiviert, die Originale mussten jeweils an die «Verkehrskontrolle» zur Prüfung eingesandt werden.

Die Dienstfahrscheine für ganze Regionen oder Kreise waren den «Ablösern» vorbehalten. Diese mussten als «Springer» auf verschiedenen Bahnhöfen arbeiten und der Aufwand für das Ausstellen von Freifahrscheinen war zu gross. In Uniform war das Personal in der Regel auch von einer Billettkontrolle befreit. Das Lokpersonal hatte zudem einen eigenen Billettblock, um nach einer Schicht auch ohne Uniform wieder nach Hause fahren zu können.

Fortschritt

Ich kann nicht mehr sagen, wann der Fortschritt Einzug hielt, wohl im Zusammenhang mit der Zunahme der Halbtax-Abos und Generalabonnementen insgesamt. Auf jeden Fall führten die Bahnen das GA-FVP ein, welches im obigen Artikel genannt wurde. 

Ebenfalls abgestuft nach Lohnklasse erhielt man jetzt freie Fahrt für dienstliche, wie auch private Fahrten, wenn man einen Beschäftigungsgrad von mindestens 50% hatte.

Muster eines GA-FVP

Dieses vereinfachte die ganzen Prozesse rund um Dienstreisen massiv. Auch entfiel der Druck und Versand der Tageskarten. Mit der Bahnreform I fiel 1999 mit dem Beamtenrecht auch endlich die Wohnortspflicht.

Natürlich förderte es auch die Anzahl Reisen. Wenn wir nach 11 Tagen Dienstschicht mal wieder zwei drei Tage frei hatten, fuhren wir alleine oder gemeinsam das Netz der Bahnen ab. Dies machte nicht nur Spass, sondern half auch die Beratung am Schalter zu verbessern. Schliesslich wusste man danach ja, wo man am Bahnhof X auf den Bus umstieg, welche Unterführung besser zum Umsteigen zwischen den Zügen ist und vieles weitere, welches man damals noch nicht im Inter- oder Intranet nachschlagen konnte.

Schon vorher begannen die Diskussionen mit den Steuerbehörden. Denn das Anrecht auf «unentgeltliche Beförderung zwischen Wohn- und Dienstort» machte eigentlich Abzüge obsolet. Aber teilweise benötigte man trotzdem Auto oder Fahrrad, wenn die Dienstschichten ausserhalb der normalen Fahrpläne lag.

Rückschritt?

Naja, vielleicht auch Gleichbehandlung, ich weiss es nicht. Aber die kantonale Steuerkonferenz kam auf der Suche nach unversteuerten Privilegion (oder auf der Suche nach Mehreinnahmen) irgendwann auf die Bahnen zu und forderte die Deklaration des GA-FVP als steuerrelevante Nebeneinnahme. Die entsprechenden Abteilungen der Bahnen setzten sich natürlich mit grösstmöglichster Anstrengung und Biss für die Mitarbeitenden ein (nicht!). :-(

Ich finde in meinen Unterlagen noch einen Lohnausweis von 2007, welcher das GA mit 1'500 Franken deklariert, ein Jahr später mit 2'000 Franken. Damals kosteten die Fahrvergünstigen jedoch auch noch einen Pauschalbetrag (unterschiedlich für 1. oder 2. Klasse) pro Jahr, welchen wir hier auf dem Lohnzettel Mai 2007 sehen (fiel später weg).

Auszug aus meinem Lohnzettel vom Mai 2007

Mit der Deklaration als Lohnnebenleistung musste natürlich auf diesen fiktiven Einkommen auch AHV-Beiträge geleistet werden. Das führte dazu, dass etliche Kolleginnen und Kollegen, welche die Bahn recht wenig benötigten, das GA-FVP zurückgaben, da sie keinen Mehrwert mehr hatten. In den aktuellen Dokumenten des für Fahrvergünstigungen zuständigen Dienstes der SBB wird übrigens extra hervorgehoben, wie nützlich das GA-FVP sei. Offenbar war die Verzichtquote nicht unbeträchtlich.

Eine gewisse Zeit lang konnte man bei einer ausgewiesener, überwiegend dienstlicher Nutzung eine Steuerbefreiung aushandeln. Da auch dies zu einer Bürokratie ausartete, wird der Wert des FVP aktuell mit 30% des effektiven Werts besteuert. Damit wird eine dienstliche Nutzung abgegolten.

Fazit

Aktuell würde ich rund 850 Franken bei den Steuern sparen, wenn ich das GA-FVP zurückgeben würde. Dazu noch rund 120 Franken Sozialabzüge (AHV, NBU, ALV etc.). Das Libero-Abo, welches ich zur Arbeit benötige, kostet rund 800 Franken im Jahr. Und so einmal im Monat fahre ich wohl auch noch mit dem Zug irgendwo in den Aargau oder nach Zürich, was mich jeweils ohne GA auch um die 80 Franken kosten würde.

Vermutlich würde ich dann aber nicht mehr 1. Klasse fahren. Und ev. Sparbillette nutzen, in dem ich den Hauptverkehrszeiten ausweichen würde.

Aber das GA hat ja auch noch einen Komfort-Wert. Wenn einem danach ist, einfach einsteigen und losfahren! Also bleibe ich vorläufig noch dabei. Ob ich mir das dann zur Pension noch leisten werde (oder leisten kann), wird sich später mal zeigen.

Alles natürlich auch abhängig davon, was aus der aktuellen Aufregung und den Untersuchungen des BAV nun wird.

Urs | Sonntag 10 März 2019 - 1:22 pm | | default | Ein Kommentar
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