Das Wandern ist (manchmal) des Müllers Lust

Irgendwann im Frühling beschloss ich, diesen Sommer wieder mal etwas mehr Bewegung in mein Leben zu bringen.

Ich war in meiner Jugend zwar auch eine Leseratte, aber immerhin spielte ich bis zum ersten Jahr B-Junioren auch (ziemlich erfolglos) Fussball im FC Turgi. Aber dann kam eine erst steile, dann langsamere Sinkkurve in mein Bewegungsmuster. Im selben Verhältnis stieg mein Körpergewicht.

Es gab zwar das knappe Jahrzehnt, bis vor wenigen Jahren, in welchem ich regelmässig mit meiner Schwester und ihrer Familie im Herbst eine Woche wandern ging, aber das endete auch vor etwa drei Jahren. Meist war ich mittel bis schlecht vorbereitet.

Dieses Mal wollte ich es etwas besser machen. Spät, erst im April meldete ich mich mal wieder bei einem Fitness-Studio an und begann zweimal wöchentlich zu trainieren.

Am 1. Juli hatte ich die verwegene Idee, in Kindheitserinnerungen zu schwelgen, wo wir jeweils zwei bis drei Wochen auf der Tannalp in den Ferien waren. Also fuhr ich mit dem ersten Zug via Luzern nach Sarnen, stieg dort ins Postauto und nahm die erste Gondel von der Stöckalp zur Melchsee-Frutt. Dort startete ich meine Wanderung entlang der Strasse bis zur Tannalp. 

Panoramabild über dem Tannensee mit Graustock, Titlis, Reissend Nollen, Wendenstöcke, Mähren und so weiter

Auf der Tannalp, bei der alten Käserei, wo wir als Kinder jeweils logierten, machte ich kurz Rast, trank ein wenig und ass ein paar Früchte. Nach rund zwanzig Minuten startete ich auf die Bergstrecke via Schaftal zum Jochpass.

Für die Strecke, welche gemäss Karte rund 6 Kilometer mit rund 450 Höhenmetern umfasst, wird rund 2:15 Stunden angegeben. Ich benötigte jedoch etwas mehr als vier Stunden. Insbesondere die Steigung beim Schaftal brachte mich fast um. Ich hatte wohl zu wenig getrunken, zudem machte mir die Hitze und die dünne Höhenluft zu schaffen.

Panorama über dem Engstlensee, in der Bildmitte die Wendestöcke

Ich war froh, dass meine Muskeln mitmachten und ich mit den Wanderstöcken auch immer genügend Halt hatte. So erreichte ich schlussendlich den Jochpass und liess mich mit dem Sessellift nach unten tragen.

Nachdem ich fleissig weiter trainierte, wollte ich es kurzfristig am 5. August nochmals wissen. Ich fuhr nach Pontresina und plante am Montag dann eine Wanderung unternehmen. Jedoch schlief ich ziemlich schlecht (Höhenluft?) und wachte mit Halsschmerzen (Schnarchen?) auf. Also gab es nur eine kurze Höhenwanderung von Muottas Muragl zur Alp Languard mit fast keinem Höhenunterschied (rund 190 Meter).

Panoramabild aufgenommen auf der Bergstation der Standseilbahn Muottas Muragl

Die Erkältung mit mühsamem Husten hatte mich dann doch ziemlich im Griff, toll bei der aktuellen Sommerhitze.

Als es langsam besser wurde, raffte ich mich nochmals auf. Ich wollte mich nicht unter Druck setzen und hatte mir mehrere Varianten zurechtgelegt, um je nach persönlichem Befinden die beste Route wählen zu können.

Also stellte ich vorgestern den Wecker auf 4:50 Uhr. Der Rucksack wurde nur mit 3.5 Liter Wasser, der Regenjacke sowie den Stöcken bepackt. Als ich gestern, am Donnerstag, nach kurzer Nacht aufwachte, fühlte ich mich relativ fit. Der Husten war weitgehend abgeklungen und die Nase war einigermassen frei.

Also stieg ich in den ersten Zug nach Luzern und dort dann nach Engelberg. Kurz nach 8 Uhr morgens hatte ich ein Ticket hoch zum Trüebsee gekauft und wartete mit rund 20-30 anderen Leuten darauf, dass die Bahn öffnete. So rund 8:25 Uhr brachte mich eine der ersten Gondeln hoch. Um 8:40 Uhr stand ich schon am Trüebsee und konnte die Spiegelung auf der glatten Oberfläche des Sees bewundern.

Spiegelungen auf dem Trüebsee. Im Hintergrund der Graustock (2'662m)

Nachdem ich das erste Hindernis, welches mir schon die Sonnencreme von den Armen lecken wollte, überwunden hatte, ging es mit dem Aufstieg vom rund 1'780 Metern über Meer gelegenen Trüebsee los.

Rind auf dem Weg versperrt den Durchgang

Ich hatte mir vorgenommen, die Steigung langsam anzugehen, häufiger zu pausieren und vor allem häufiger zu trinken. Die Sonne brannte schon um 9 Uhr kräftig nieder, aber es ging ein nettes Lüftchen. Ganz selten hatte es ein wenig Schatten, wo es sofort recht kühl war.

Knapp eine Dreiviertelstunde später, hatte ich rund 200 Höhenmeter überwunden, den ersten Liter Wasser wieder eingefüllt und genoss die Rundsicht. 

Blick über den Trüebsee

Ich nahm weiter Schritt um Schritt und liess unterwegs einige Leute passieren. Jüngere, aber auch ältere ;-)

Nach insgesamt rund 2 Stunden Aufstieg erreichte ich den auf 2'207 Metern über Meer gelegenen Jochpass. Ich setzte mich auf die Terrasse des Restaurant in den Schatten, wo es mir aber schnell zu kühl wurde. Mit dem (langsam wieder trocknenden) Rücken zur Sonne genoss ich einen doppelten Espresso und den von der Serviererin empfohlenen, reichhaltigen Aprikosenkuchen «mit Nydlä».

Aprikosenkuchen mit Schlagrahm und Früchten

Nach rund 40 Minuten machte ich mich startklar für die Bergstrecke zur Tannalp, sprich ich nahm die Wanderstöcke aus dem Rucksack. Die Strecke steigt anfänglich leicht an, bis man auf 2'323 Metern über Meer den höchsten Punkt erreicht. Auf dem Weg hinauf, musste ich ziemlich vielen Rindern ausweichen, welche den Weg blockierten. Und natürlich wollte mich jedes ablecken. Da ich nicht weiss, wie gesund meine Sonnencrème ist, liess ich die Viecher nicht an mich heran ;-)

Blick über den Engstlensee

Im Vergleich zum 1. Juli sieht man deutlich, dass der heisse Sommer die Schneedecke schmelzen lässt. Die Bergkette im Hintergrund gehört zu den Berner Alpen (Wellhorn/Wetterhorn, sicher bin ich aber nicht).

Danach geht es das Schaftal hinunter auf 2'100m, steigt nochmals leicht an und führt leicht sinkend bis auf die Tannalp auf 1'974 Meter. Die letzten dreissig Minuten der rund dreistündigen Etappe spürte ich zunehmend Kohldampf. Ich hatte ja nur ein wenig (unberührt bleibende) Schokolade dabei.

Zum Glück hatte das Bergrestaurant Tannalp offen und es gab nach 14 Uhr noch warme Küche. Die Gemüsecremesuppe leerte ich fast in einem Schluck!

Mittagessen, Gemüsecremesuppe, Schüblig mit Pommes

Danach machte ich mich hinter die Wurst, stellte aber bei den Pommes fest, dass die Augen mehr als der Magen wollten und liess mehr als die Hälfte zurück.

Solcherart gestärkt, nahm ich den Rest der Etappe unter die Füsse und gab ziemlich Gas. Beim unteren Ende des Tannensees blickte ich nochmals zurück auf die seit Kindheit vertraute Silhoutte von Graustock, Titlis, Reissend Nollen, Wendenstöcke und Mähren.

Tannensee mit Graustock, Titlis und Wendenstöcken

Danach wählte ich die Wanderstrecke unter dem Bonistock, anstelle der Strasse entlang und brauchte für die 4.3 Kilometer nur rund 50 Minuten.

So reichte es gut, um mit der Gondelbahn um 16:10 Uhr bereits wieder in der Stöckalp zu sein. Dort hatte ich Glück und erwischte noch einen freien Platz im Extrabus mit Direktfahrt nach Sarnen.

Kartenausschnitt SchweizMobil mit der Etappe Trüebsee-Jochpass-Tannalp-Melchsee-Frutt

Danach kam die Rückfahrt ins warme Unterland. Im Zug hätte ich gerne meine Wanderschuhe ausgezogen, aber mein Anstand verbot mir dies. Aber ich freute mich tierisch auf die kalte Dusche zu Hause.

Fazit: diesmal hat es gut geklappt. Keine Blasen, nur ein etwas sonnenverbrannter Bereich um den Ellenbogen und kurz nach 21 Uhr machte ich ungewöhnlich früh Lichterlöschen!

P.S.: hier noch ein Rückblick auf die Sommerferien 1975. Aufgenommen im Juli/August auf einer Wanderung unterhalb der Tannalp. Die Engstlenalp liegt in der Bildmitte. Da hatte es noch ganz schön Schnee auf den Berggipfeln.

Aufnahme von Graustock und Titlis aus dem Jahr 1975
Urs Freitag 17 August 2018 - 2:14 pm | | default
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zwei Kommentare

Thomas
Thomas, (URL) - 18-08-’18 22:57
Ursli Himself
Ursli Himself, - 24-08-’18 18:18
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