Das CH-Geldspielgesetz

Wie ich im letzten Beitrag geschrieben habe, verfüge ich durchaus über eigene Erfahrung mit dem leidigen Thema Geld-/Glücksspiel.

Nun steht ja am 10. Juni die Abstimmung über das Geldspielgesetz an. Und die Schlacht darüber tobt zwischen Links und Rechts… ach nein, diesmal sind die Allianzen eher quer durch die Parteienlandschaft zu finden.

Rückblick

Die Schweiz als föderaler Staat kannte bis zum Ende des 20. Jahrhundert keine legalen Casinos. Einige Kantone erlaubten den Betrieb von «Glückspielautomaten» mit begrenzten Einsätzen und Gewinnen, Kurorte verfügten über «kleine Casinos» mit reduziertem Angebot (Boule, begrenzte Einsätze und Gewinne). Im Jahr 1993 wurde mittels der Volksabstimmung vom 7. März darüber abgestimmt, ob man das Spielbankenverbot aufheben wolle. Erst fünf Jahre später mit dem Bundesgesetz über Glücksspiele und Spielbanken (Spielbankengesetz, SBG) vom 18. Dezember 1998 wurde es erlaubt, in der Schweiz (mit einer Lizenz) ein Casino zu betreiben.

Das Gesetz definiert nicht nur den Unterschied zwischen Glücks- und Geschicklichkeitsspiel, sondern kennt auch im Artikel 5. ein Verbot der «telekommunikationsgestützen Durchführung von Glückspielen, insbesondere mittels Internet» (schöne Formulierung aus heutiger Sicht).

Bis 1993 war man also der Auffassung, dass es nicht sinnvoll sei, dass Private Geld mit dem Gebaren von Spielfreudigen verdienen sollten. Dies im Lichte von früheren Zeiten und Erfahrungen mit Menschen, welche ihr ganzes Hab und Gut verspielt hatten. Die Diskussion im Vorfeld des SBG gingen dann in Richtung, es sei wohl «besser», die Menschen verspielten ihr Geld in der Schweiz, als im Ausland im grenznahen Casinos. So könne man die Missbräuche besser bekämpfen, dem Staat Geld zuführen und die Prävention verbessern.

Interessante Lektüre ist dazu die Botschaft des Bundesrates und die Diskussion im Stände- und Nationalrat, die hier zu finden ist.

Aus dem Gesetz, Art. 2, Zweck:

1. Dieses Gesetz bezweckt:
a) einen sicheren und transparenten Spielbetrieb zu gewährleisten;
b) die Kriminalität und die Geldwäscherei in oder durch Spielbanken zu verhindern;
c) sozialschädlichen Auswirkungen des Spielbetriebes vorzubeugen.

2. Im Rahmen der in Absatz 1 genannten Zweckbestimmungen soll das Gesetz den Tourismus fördern sowie dem Bund und den Kantonen Einnahmen verschaffen.

Aus besagten Gründen hatte ich damals Nein gestimmt, leider ging die Abstimmung bei einer Stimmbeteiligung von knapp über 50% mit 72% Ja-Stimmen anders aus. 

Zum Glücksspiel allgemein

Wer spielt denn warum um Geld? Nun, es gibt Leute, die spielen nie um Geld. Andere Jassen um Fünzigräppler (oder auch mehr). Das ist dann aber eher ein Geschicklichkeitsspiel, ähnlich wie dies auch bei Pokerrunden taxiert wird. 

Roulette-Kessel im Casino Wiesbaden. Foto Copyright Ralf Roletschek / Wikipedia

Dann gibt es Leute, die ausnahmsweise mal per Zufall in einem Casino landen und sich eine kleine Abwechslung gönnen. Und solche, denen es dann gleich den Ärmel reinnimmt. Wie zum Beispiel Thomas Kaiser, der in der Sendung «Club» des SRF vom 28. Februar 2012 erzählte, wie er 1.5 Millionen Franken verspielte und sich dabei am Geld von Mandanten vergriff. Ich habe die Sendung übrigens damals mitverfolgt.

Ich behaupte, ein signifikanter Teil des Umsatzes von Casinos mit Geldspielautomaten, Roulette und ähnlichen Spielen stammt von Menschen mit einem problematischen Verhalten, das einer Sucht entspricht. Natürlich gibt es da die Leute, die einfach viel zu viel Geld haben und denen es egal ist, ob sie in zehn Minuten mal schnell ein paar tausend Franken verspielen. Und es gibt sicher einen grösseren Teil, die ihre Ausgaben insgesamt im Griff haben.

Schlussendlich ist es aber ähnlich, wie mit Drogen, Alkohol und Tabak. Soll der Staat den Konsum regulieren oder verbieten?

Der liberale Ursli sagt: «Es ist das Geld und das Leben der Menschen. Besteuere die Sucht und stecke das Geld in die Prävention oder Behandlung derjeniger, die es nicht im Griff haben. Lass den anderen ihre freie Entscheidung.»

Der soziale Ursli sagt: «Es ist unlauter, Menschen zu schädigen oder es zu tolerieren, dass sie sich selbst schädigen. Es ist eine Form von Krankheit und Kranke soll man versuchen zu heilen. Insbesondere ist es unlauter, dass Dritte/Private sich an einer solchen Krankheit/Sucht bereichern.»

Zur aktuell anstehenden Abstimmung

Weshalb kommt es zu der anstehenden Abstimmung vom 10. Juni 2018? Das SBG von 1998 sieht ja ein Verbot des Glücksspiels über das Internet vor. Den Casinos erodieren offenbar deswegen die Erträge. Aus dem Geschäftsbericht des Schweizer Casino Verbands vom 5. Mai 2017 entnehme ich, dass die Umsätze seit 2007 um einen Drittel auf 689 Millionen Franken eingebrochen sind. Ob dies wirklich am Online-Glücksspiel liegt, kann jedoch nicht bewiesen werden. Es könnte ja durchaus auch sein, dass die Leute ihre Sucht besser bekämpfen konnten.

Der liberale Ursli sagt: «Das veraltete Gesetz behindert die Marktwirtschaft. Schweizer Casinos haben ungleich lange Spiesse.»

Der soziale Ursli sagt: «Den Dealern laufen die Süchtigen davon.»

Also gingen der Casino Verband hin und schrieb den Politikern ein nettes Gesetz, das diese nur noch abnicken mussten. Die nun fehlenden Millionen (und vielleicht noch ein paar dazu) sollen durch den Fall des Verbots von Online-Glücksspiel wieder hereingeholt werden. Sozusagen zur Sicherung der der AHV und des Steuersäckels. Kann man ja nicht dagegen sein, oder? :-/

Soweit so gut, nur ist das Internet nicht in der Schweiz alleine und dem Casino Verband liegt ja sein eigener Umsatz am Herzen. Also schrieb er im Gesetz fest, dass nur Firmen, die dem alten Gesetz nach ein Casino betreiben dürfen, auch Online-Spiele anbieten dürfen.

Der liberale Ursli sagt: «Es gibt keinen Grund, dieselben Bestimmungen wie bei physischen Spielbanken anzuwenden. Es können adäquate Bestimmungen (Lizenzerwerb, Schutz vor Missbrauch, Kontrolle von starkem Suchtverhalten etc.) durchaus für konkurrierende Betriebe in der Schweiz oder dem Ausland auferlegt werden.»

Der soziale Ursli sagt: «Den Dealern laufen die Süchtigen immer noch davon.»

Zur Umsetzung (Netzsperre)

Zur Sicherstellung, dass nur legale (Schweizer) Casinos Glücksspiele anbieten können (sollen), hat man sich auf die sogenannte Netzsperre geeinigt. Ich möchte mich hier nicht lange über technische Details aufhalten, da findet man sicher genügend Beispiele.

Mittels Umleitungen via manipulierte DNS-Einträge werden die illegalen Angebote auf eine Info-Seite umgeleitet. Diese Art von Sperre wird heute schon verwendet, v.a. um den Zugriff auf Seiten mit Kinderpornographie zu erschweren.

Warum erschweren? Für technisch weniger Interessierte. Das DNS ist sozusagen das Telefonbuch des Internets. Die Sperren sperren aber nicht wirklich die Telefonnummer (IP-Adresse), sondern tilgen sozusagen nur den Eintrag im Telefonbuch. Man kann also immer noch anrufen, wenn man die Nummer kennt.

Warum sind denn DNS-Sperren nicht gut?

Gründe:

  1. Wenn keine speziellen Systeme (Firewalls) im Netzwerk dies verhindern, kann man einen beliebigen DNS bei sich im Computer, Smartphone, Tablet etc. eintragen. Die Analogie: man kann einfach ein anderes Telefonbuch nehmen, in welchem die inkriminierten Einträge noch zu finden sind.
    Solche öffentlichen DNS findet man zum Beispiel bei Google, Cloudflare oder weiteren. *)
  2. Die zu sperrenden Domains müssen von einer «Zensurbehörde» (wohl die Casinos selbst) erkannt werden und die Sperrlisten müssen dann bereitgestellt werden. Dies wird wohl vermutlich wie bei Kinderpornographie durch FedPol/Kobik erfolgen. Danach müssen die öffentlichen Provider diese Listen in ihren DNS nachpflegen. Dies verursacht Aufwand und kann zu Fehlern führen.
  3. Das System funktioniert auf dem «Namen» (technisch FQDN). Das kann dazu führen, dass ein illegales Online-Casino auf der Adresse https://irgendein.name.com/hiergewinnen erkannt und die Adresse https://irgendein.name.com gesperrt wird. Wenn dort unter anderen Adressen (zB http://irgendein.name.com/gesundheit) auch legale Inhalte liegen, sind diese auch nicht mehr zugänglich. Collateral Damage.
  4. Sobald diese Art der Sperrlistenerstellung automatisiert, standardisiert und als «üblich» taxiert wird, werden mit grosser Sicherheit weitere Begehrlichkeiten kommen. Antifa- oder Nazi-Seiten, Extremismus, etc.
    Da die Sperre umgangen werden kann, werden über kurz oder lang sicher noch tiefere Eingriffe diskutiert. Und dann sind wir wieder soweit, wie vor 1998. Man kann immer noch ins Ausland ausweichen, um dort seiner Sucht zu frönen.

Mit DNS-Sperren wird man also nur den «Gelegenheitskonsumenten» abhalten. Leute, welche aus welchen Gründen auch immer Zugang zu solchen Seiten wollen, werden ihn sich holen.

Das reicht der Casino-Lobby wohl auch, die Gelegenheitskonsumenten sind ja auch ein lukratives Ziel. Es geht ja in erster Linie um deren Umsatz und Ertrag, nicht um das Suchtverhalten Was nun, Fazit?

Zurück mit dem Gesetz zum Parlament und Bundesrat. Macht was besseres draus!

  1. Will man Süchtige schützen, so bedarf es anderer Mittel. Zum Beispiel könnte man das «Einkassieren» von Geldspiel-Schulden (aka Abbuchungen auf Kreditkarten) von nicht autorisierten Casinos als illegal taxieren. Dann würden Kreditkartenfirmen von sich aus Sperren einrichten. Kein Anbieter will auf Schulden sitzen bleiben. Schon heute kann man mit CH-Kreditkarten nicht an beliebigen Orten online einkaufen.
    Selbstverständlich kann man sich wohl weiterhin via Vermittler, Kryptowährungen o.ä. darüber hinwegsetzen, aber es würde deutlich schwieriger. Packt das Problem an der Quelle, nicht in der Mitte!
  2. Will man der öffentlichen Hand (AHV, Lotteriefonds, Steuersäckel) mehr Geld zuführen, dann könnte man das System Dänemark (einfach möglichst ohne Netzsperren) einführen. Dieser NZZ-Artikel erklärt das System dort sehr gut.
  3. Will man die Gewinne der Schweizer Casinos sicherstellen, dann… oh, das war ja sicher nie das Ziel des Parlaments, oder?

Wirklich Abhilfe gegen illegale Seiten bekommt man, in dem man sich halt in mühsamer Arbeit mit den Staaten zusammensetzt, wo sie betrieben werden und sie groundet. 

Ach ja, liebe Befürworter, hört auf, das Gesetz als «gemeinnützig» zu bewerben. Das ist purer Blödsinn.


*)  öffentliche DNS-Servern, unter anderem:

  • Google
    • IPv4:
      8.8.8.8 oder 8.8.4.4
    • IPv6:
      2001:4860:4860::8888 oder 2001:4860:4860::8844)
  • Cloudflare
    • IPv4:
      1.1.1.1 oder 1.0.0.1
    • IPv6:
      2606:4700:4700::1111 oder 2606:4700:4700::1001
Urs Samstag 05 Mai 2018 - 7:22 pm | | default
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Ein Kommentar

@duuderino
@duuderino, - 10-05-’18 16:01
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